Radwege und Recht: Wie breit, wie sicher, welche Vorschriften sind zu beachten?
“Ein Proseminar zur Verkehrsplanung” nannte Dr. Ralf Kaulen seinen Vortrag zum Thema „Radwege und Recht“ am 15. Februar 2023. Die Zusammenfassung des Vortrags gibt Antworten auf häufig gestellte Fragen – auch zu gemeinsamen Fuß- und Radwegen! – und enthält das Vortragsvideo.
Sein Fazit: “Verkehrsplanung beginnt im Kopf”. Entscheidend ist der Wille zur Transformation: Möchte ich eine lebenswerte Stadt haben, den Umweltverbund fördern und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
Mitteilung von: Verkehrswende-Bündnis Lüneburg/FUSS e.V. Lüneburg
Am: 20.01.2023
Grafik: SVK Kaulen. Grundsätze bei der Verkehrsplanung laut StVO.
ERA, EVA, StVO … ?!? Radwege und Recht – Bericht über den Online-Vortrag am 15. Februar 2023
Konzentriertes Zuhören war nötig, als Dr. Ralf Kaulen in der Online-Veranstaltung von „Lüneburg mobil 2030“ am 15. Februar 2023 erklärte, welche Vorgaben für Verkehrsplanung und Radverkehr zu beachten sind.
Dr. Ralf Kaulen vom Stadt- und Verkehrsplanungsbüro Kaulen für nachhaltige Stadt- und Verkehrsplanung (SVK – svk-kaulen.de) in Aachen ist ein echter Profi, was Verkehrsplanung betrifft. Zu den Projekten seines Büros zählen zum Beispiel das Radverkehrsnetz Nordrhein-Westfalen (13.800 km), rund 100 kommunale Verkehrskonzepte und der internationale Rheinradweg, die RadRegionRheinland.
I. Vortrag: Radwege und Recht
Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums leitete Dr. Kaulen diverse Fortbildungsveranstaltungen zur StVO-Novelle 2009 und 2013 auf Länderebene. Anhand dieser Folien führte er die Zuhörenden nun in die Grundlagen ein.
Rangordnung: StVO → Richtlinien → Empfehlungen → Hinweise
Zu Beginn stand die Einordnung der Regelwerke:
An oberster Stelle steht die Straßenverkehrsordnung (StVO). Nachgeordnete und weiter präzisierende Regelungen sind Inhalt der Publikationen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV), z. B. Richtlinien wie die “Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen” (RASt).
Diese werden wiederum durch Empfehlungen wie die “Empfehlungen für Radverkehrsanlagen” (ERA, EFA) vertieft. Darunter stehen die Hinweise.
Dabei ist zu beachten, dass aktualisierte Angaben aus untergeordneten Regelwerken mit gewisser Verzögerung in die Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgenommen werden. Hinweise und Empfehlungen finden also schrittweise Aufnahme in die StVO. Im Hinblick auf eine vorausschauende Planung sollten diese daher schon heute Berücksichtigung in Planungen finden.
Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)
Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) aus dem Jahr 2010 sind das umfassende Regelwerk für Planung, Entwurf und Betrieb von Radverkehrsanlagen.
Durch den Verweis in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) und infolge der Rechtsprechung gelten diese als „Stand der Technik“. Unter Berücksichtigung des Abwägungsgebots und der anderen Regelungen der StVO / VwV-StVO sind sie von Planern und Behörden in der Regel verbindlich anzuwenden, wenn es um Anlagen für den Radverkehr geht.
Eine Überarbeitung ist in Vorbereitung und wird für das Jahr 2023/2024 erwartet.
Oberstes Ziel jetzt: Sicherheit
Mit der StVO-Novelle 2009/2013 erfolgte ein inhaltlicher Paradigmenwechsel: Seit diesem Zeitpunkt sind die Aspekte der Verkehrssicherheit gegenüber der Leichtigkeit des fließenden Verkehrs ein höheres Rechtsgut. Dies umfasst selbstverständlich alle Verkehrsteilnehmenden.
Die folgenden Themenschwerpunkte des Vortrags waren: Flächenbedarf des Radverkehrs, Radwegebenutzungspflicht, Gestaltung von baulichen Radwegen, Radfahrstreifen und Schutzstreifen, Radverkehr auf Gehwegen und Busspuren.
II. Fragen an Dr. Kaulen
? Primäres Ziel der StVO: „Verkehrssicherheit vor Leistungsfähigkeit“
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist das oberste Regelwerk für den Verkehr. Hier hat es mit der StVO-Novelle 2009 und 2013 eine klare Änderung gegeben.
Früher hieß es: Die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs hat Vorrang.
Das trifft heute nicht mehr zu. Seit der StVO-Novelle 2009 und 2013 gilt als primäres Ziel „Verkehrssicherheit vor Leistungsfähigkeit“.
Außerdem: In der StVO-Novelle 2013 ist der Radverkehr Fahrverkehr geworden. Er wird nicht mehr dem Langsamverkehr – wie Fußverkehr – zugeordnet.
Kein Vorrang für Kfz-Verkehr in der Straßenverkehrsordnung
Der aktuelle Schurig-Kommentar (mehr), einer von zwei verbreiteten Kommentare zur StVO, besagt klar: Die StVO ist “privilegienfrei”, d. h. der Kfz-Verkehr hat gegenüber den übrigen Verkehrsarten keine Privilegien.
Abwägungsgebot
Bei Nutzungskonflikten und Verkehrssicherheitsproblemen müssen diese Überlegungen abgewogen werden. Sie bilden auch die Grundlage für die verkehrliche Anordnung durch die Straßenverkehrsbehörde.
Auf dieses Abwägungsgebot wird auch hingewiesen in den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen 2006 (RASt, vgl. Empfohlene Lösungen, Kapitel 5). Zudem wird der Straßenraum dort beschrieben als Raum, der ja nicht nur dem Verkehr dient, sondern auch Umfeld und Lebensraum ist und gerne angenehm gestaltet sein darf. Das wird leider viel zu wenig beachtet.
? Wie verpflichtend ist ERA?
Das höchste Regelwerk ist die Straßenverkehrsordnung (StVO). Die im Vortrag genannten Maße finden sich in der Verwaltungsvorschrift zur StVO. Diese nimmt Bezug auf die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) und die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA).
Die verschiedenen Vorgaben aus untergeordneten Regelwerken fließen schrittweise in die StVO ein. Zum Teil finden ebenfalls aktualisierte Maße aus untergeordneten Regelwerken wie ERA mit gewisser Verzögerung Aufnahme in die StVO.
Im Hinblick auf eine vorausschauende Planung sollten daher aktuelle bzw. in Arbeit befindliche Werke der FGSV schon heute Berücksichtigung finden.
? Gemeinsame Geh- und Radwege
Die Breite von gemeinsamen Geh- und Radwegen ist abhängig von der Menge der Radelnden und Passanten, das Mindestmaß innerorts beträgt 2,5 Meter.
Aber: Man kann nicht einfach sagen “2,50 Meter”, sondern Verkehrsplanung ist komplexer. Hier gilt das Abwägungsgebot. Einzelparameter, die in die Abwägung einfließen müssen, sind in den ersten Kapiteln der RASt ausführlich erläutert. Oberziel sind die Belange der Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden.
Begründung schwierig nachvollziehbar
Es gibt sehr wenig Gründe, die für die Freigabe von Gehwegen für den Radverkehr sprechen.
In diesen Fällen gilt, dass sich die Radfahrenden zur Vermeidung von Konflikten den Belangen des Fußverkehrs unterordnen müssen, das heißt unter anderem Schrittgeschwindigkeit fahren. Dies steht wiederum der Zielsetzung nach höheren Fahrgeschwindigkeiten der Radfahrenden entgegen. In einem solchen Fall sollte man besser intensiv nach Alternativen suchen.
Eine solche Lösung wird weder dem Rad- noch dem Fußverkehr gerecht. Es widerspricht auch der StVO-Novelle 2009: “Radverkehr ist Fahrverkehr.”
Zwei-Richtungs-Verkehr als absolute Ausnahme
Umso mehr sollten gemeinsame Geh- und Radwege innerorts mit Zwei-Richtungsverkehr unbedingt die Ausnahme bilden.
Sie sind auch unfallträchtig: Links fahrende Radler:innen werden von Autofahrenden beim Abbiegen leicht übersehen, weil diese nicht mit Kreuzungsverkehr von links rechnen. Daher bestehen in solchen Fällen immer erhöhte Anforderungen an die Knotenpunkte.
Daher ist die Freigabe von Geh- und Radwegen in Gegenrichtung innerorts gemäß StVO ausschließlich in begründeten Ausnahmefällen anzuwenden.
- Lesetipp: FUSS e.V. – Entscheidungsbaum zur Prüfung von Einzelradweg und gemeinsamem Fuß-/Radweg – mehr
? Wenn ein Radweg nicht erkennbar ist, ist er dann einer?
Radwege sollen erkennbar sein durch bauliche Gestaltung, Markierung (z. B. Piktogramme), Materialwechsel. Wenn sie nicht benutzungspflichtig sind, sind Radwege eindeutig zu kennzeichnen und zu gestalten – nur eben ohne das Zeichen 237, 240 oder 241, die die Benutzungspflicht anzeigen.
Wenn jedoch ein Weg, zum Beispiel in einem Park, nicht als Radweg erkennbar ist und nur durch den grün-weißen Radwegweiser gekennzeichnet ist, existieren hier keine inhaltlichen Zusammenhänge. Die wegweisende Beschilderung beinhaltet keine Freigabe für Verkehrsanlagen.
Im Umkehrschluss heißt dies ebenfalls: Ist ein Weg nicht zur Benutzung für Radfahrenden freigegeben, darf diese auch nicht mit einer wegweisenden Beschilderung gekennzeichnet werden. Dann ist er eher als Fußweg einzustufen.
Deshalb sollten eindeutige und klare Lösungen angestrebt werden. Die Spielregeln müssen für alle Verkehrsteilnehmenden klar sein.
? Was ist besser: Radverkehr auf Fußwegen oder auf der Straße?
Auch hier gilt: Kein Schwarz-Weiß-Denken. Es gilt das Abwägungsgebot: Als Verkehrsplaner muss ich schauen, welche Nutzungskonkurrenzen ich habe.
Der Verkehrsraum muss durch alle Verkehrsteilnehmenden (von zu Fuß Gehenden, von Radfahrenden, vom öffentlichen Verkehr, vom fließenden Kfz-Verkehr) sicher genutzt werden können. Weiterhin sind die Belange des ruhenden Kfz-Verkehrs (Parken), der Menschen im Wohnumfeld und der Straßenraum-Begrünung in die Abwägung einzubeziehen.
Aufgrund dieser Abwägung erfolgt die Planung. Die “eierlegende Wollmilchsau” kriegt man als Verkehrsplaner nicht hin.
Unterscheiden nach hochwertiger und geringerwertiger Nutzung
Bei Nutzungskonkurrenzen muss man schauen: Was ist eine hochwertige Straßenraumnutzung – und welche Nutzungsansprüche sind nachrangig zu bewerten?
Häufig wird das „Abstellen von Gegenständen im Straßenraum“, also Parken, gegenüber einer aktiven Straßenraumnutzung als nachgeordnet eingestuft.
Nicht zu Lasten des Fußverkehrs
Grundsätzliche Überlegungen sind:
- Radverkehr ist Fahrverkehr – also bitte nicht zu Lasten des Fußverkehrs. Denn der Fußverkehr ist der schwächste Verkehrsteilnehmer.
- Und beim Fahrverkehr muss man schauen, dass die Radfahrenden sicher sind. Bei einer Geschwindigkeit von maximal 30 Stundenkilometern, zum Beispiel in einer gut gestalteten Tempo-30-Zone, kann man sie in den Mischverkehr führen.
- Bei Bundesstraßen, Landesstraßen und Kreisstraßen kann keine Tempo-30-Zone eingerichtet werden. Hier kann Tempo 30 ausschließlich aufgrund einer Gefahrenlage auf einer maximalen Länge von 300 Metern im Bereich von Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen, Kindergärten angeordnet werden. An solchen Straßen muss man mit Schutzstreifen, Radverkehrsstreifen oder Radwegen arbeiten.
Die nötigen Fläche muss man sich irgendwo herholen. Das ist oft schwierig.
Piktogrammketten als Option
Bei einer maximalen Fahrgeschwindigkeit 30 km/h und einem Fahrbahn-Querschnitt unter 7 Metern bieten die Regelwerke aufgrund der vorgegebenen Mindestbreite für die Schutzstreifen von 1,25 Metern (Regelbreite 1,50 Meter) kein Gestaltungselement, um den Radverkehr sicher zu führen.
Ziel ist jedoch auch hier eine sichere Radverkehrsführung. Daher bietet sich in solchen Fällen das Instrument der Fahrradstraße und Tempo-30-Zone an.
Ist dies wiederum nicht möglich, gibt es in Nachbarländern das Instrument der Piktogrammketten. Dafür wird das Radweg-Symbol auf der Straße in gut überschaubaren Abständen aneinandergereiht. Dies Instrument steht nicht in den “Richtlinien für die Markierung von Straßen” (RMS). Deshalb ist das offiziell nicht erlaubt.
Zwei Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen – haben deshalb jetzt Landeserlasse mit entsprechenden Vorgaben herausgegeben. Diese haben keine verkehrsrechtliche Wirkung, sind dort aber zulässig. Viele Verkehrsplaner:innen wünschen das auch für die Neufassung der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA). Das ist gerade im Fluss und eine große Debatte.
? Tipps zu Fahrradstraßen innerorts
Fahrradstraßen sind ein sehr komplexes Thema. Früher war die Vorgabe, dass der Radverkehr dort die vorherrschende Verkehrsart sein muss. Das hat sich mit der StVO-Novelle vom 15.11.2021 geändert.
Jetzt können Fahrradstraßen einfacher eingerichtet werden. Die Voraussetzungen sind:
- dass man eine hohe Radverkehrsdichte hat oder erwarten kann,
- in Straßen mit hoher Netzbedeutung für den Radverkehr entsprechend einer Netzplanung nach den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung (RIN)
- und bei untergeordneter Bedeutung für den Kfz-Verkehr.
Wenn also eine hohe Netzbedeutung für den Radverkehr verbunden mit einer untergeordneten Bedeutung für den Kfz-Verkehr nachgewiesen werden kann, kann man auf dieser Grundlage eine Fahrradstraße einrichten. Der Partner bei solchen Entscheidungen ist die Straßenverkehrsbehörde, die hier abwägen muss.
Was ist „untergeordnete Bedeutung für Kfz-Verkehr“? – Parken in Fahrradstraßen
Was heißt „untergeordnete Bedeutung für den Kfz-Verkehr“? Die Stadt München hat das zum Beispiel definiert als einen durchschnittlichen Werktagsverkehr von höchstens 4000 Fahrzeugen. Hierüber wird gerade in anderen Kommunen intensiv debattiert.
Beträgt die Fahrbahnbreite mindestens 4 Meter und gibt es rechts und links zusätzlich einen Sicherheits-Trennstreifen von 0,75 Metern spricht grundsätzlich nichts dagegen, Parken im Seitenraum zu erlauben.
Option „Fahrradzonen“ – Beispiel Bremen
Option Fahrradzonen: Möglich ist auch, Fahrradstraßen zu Fahrradzonen zusammenzufassen. So wird es beispielsweise in Bremen gehandhabt. Wie bei Fahrradstraßen ist hier anderer Verkehr als Radverkehr nur nach gesonderter Freigabe gestattet. Der Radverkehr darf dabei weder gefährdet noch behindert werden.
? Problem: Parkende Pkw am rechten Fahrbahnrand
Wenn sich am rechten Seitenrand ein Parkstreifen befindet, kommt es zu der bekannten Gefahr des Dooring: Insassen öffnen die Autotür. Das kann zur Kollision mit vorbeifahrenden Radlern führen.
Schutzstreifen und Radfahrstreifen sollten daher immer mit einem Sicherheitstrennstreifen von 0,75 Metern rechts angelegt werden, wenn auf der rechten Fahrbahnseite Autos parken. Das kommt dann zu der Mindestbreite für Schutzstreifen von 1,50 Meter dazu.
Vorbeifahrende Autos müssen das Abstandsgebot von 1,50 Metern zu Radfahrenden auf jeden Fall beachten.
? Flächenverfügbarkeit: Was mache ich bei zu wenig Platz?
Das Problem: Es gibt verschiedenste Nutzungsansprüche und Mindestbreiten. Man möchte Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr fördern. Aber: Der Raum ist begrenzt.
Vor den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt) im Jahr 2006 und der StVO-Novelle 2009/13, hat man den Straßenraum häufig von innen nach außen geplant: Wieviel Platz braucht der Kfz-Verkehr? Wieviel Platz die Parkstreifen?
Den restlichen Raum hat man aufgeteilt auf Fuß- und Radverkehr. Das ist nicht mehr gültig, aber in vielen Köpfen noch drin.
Heute: Straßenraum von außen nach innen planen
Heute heißt es: Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer hat Vorrang vor der Flüssigkeit des Verkehrs. Es können also im Einzelfall Maßnahmen geboten sein, die die Sicherheit erhöhen, die Flüssigkeit aber verringern.
Seit RASt 2006 plant man den Straßenraum von außen nach innen:
Erst plant man den Raum für den Fußverkehr, weil er schwächster Verkehrsteilnehmer ist. Dann den Radverkehr, dann den Kfz-Verkehr. Wenn dann noch Flächen übrig sind, können sie dem Kfz-Verkehr zugeschlagen werden, z. B. als Parkstreifen.
Zentrale Stellschrauben: Breite und Geschwindigkeit
Doch soviel Platz hat man nicht immer. Dann muss man entsprechend abwägen und priorisieren. Und hier gibt es zwei Stellschrauben: Die Breite und die Geschwindigkeit
Wie kann ich Breite gewinnen?
Für die Standardgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern gilt:
- Die Fahrspur für den Kfz-Verkehr muss ggf. auf die notwendige Mindestbreite zurückgebaut werden.
- Es muss überlegt werden, ob ruhender Verkehr – sprich Parkstreifen – nötig ist. Oder kann man Autofahrenden das Gleiche zumuten wie Busfahrenden, nämlich 300-400 Meter zu laufen, um zur Haltestelle oder zum Parkplatz zu kommen?
- Und man kann bei den anderen Wegen auf die Mindeststandards bei den Breiten zurückgehen.
Wenn das nicht funktioniert, müssen im Straßenraum Prioritäten gesetzt werden:
- Zum Beispiel kann der Radverkehr als Einrichtungsverkehr geführt werden – den Radweg in Gegenrichtung gibt es in der Parallelstraße.
- Man kann die Flächen für den ruhenden Verkehr einsparen.
- Man kann Kfz-Verkehr nur in einer Fahrtrichtung führen (Einbahnstraßen-Lösung).
Alternativ kann man die Geschwindigkeit verringern:
- Man kann eine Fahrradstraße oder Tempo-30-Zone einrichten. Dann kann man den Radverkehr gemeinsam mit dem Kfz-Verkehr auf einer Fläche kombinieren. Und man hat auch Flächen fürs Parken und für die Begrünung.
- Achtung: Tempo-30-Zonen müssen baulich so gestaltet sein, dass maximal eine Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h gefahren wird. Hintergrund: Bei einem Zusammenstoß mit einem Kfz haben Fußgänger oder Radfahrende bei unter Tempo 30 eine 85-prozentige Überlebenschance.
- Wenn man einen verkehrsberuhigten Bereich mit Schrittgeschwindigkeit, sprich Spielstraße, einrichtet, bekommt man noch mehr unter.
Man muss also konzeptionell planen. Es geht nicht, alles in einen Straßenraum zu quetschen.
? Entscheidend ist Wille zur Veränderung: Lebenswerte Stadt oder nicht?
Wie man sieht, gibt es bei der Verkehrsplanung keine strengen Regeln. Wie die Abwägungen stattfinden und wie das Straßenverkehrsrecht interpretiert wird, ist letztlich im Rahmen des Abwägungsgebots Aufgabe des Planenden und der Straßenverkehrsbehörde.
Mancher Bürgermeister sagt: Ich will keine Fahrradstraßen. Andere Städte fangen an, systematisch Fahrradstraßen einzurichten. Das progressive Bremen zum Beispiel macht sofort Fahrradzonen. Es hängt auch mit dem politischen Willen zusammen.
Entscheidend ist der Wille zur Transformation:
- Möchte ich eine lebenswerte Stadt haben?
- Möchte ich den Umweltverbund fördern?
- Möchte ich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
„Verkehrssicherheit und -veränderung beginnt im Kopf und nicht in der StVO.“
Die Veranstaltung wurde gefördert von Lüneburg Zukunftsstadt 2030+
Mit bis zu 500 Euro fördert die Zukunftsstadt Lüneburg 2030+ Projekte oder Veranstaltungen. Voraussetzung: Sie müssen von allgemeinem Interesse sein, dem Gemeinwohl dienen und mindestens drei Organisationen oder Gruppen vernetzen. Bis zum 15. Mai 2023 können Anträge eingereicht werden.
Lüne-Blog, 15.02.2023 – mehr
Verkehrswende-Bündnis: Veranstaltungsreihe “Lüneburg mobil 2030”
Bis 2030 klimaneutral zu sein – das hat sich die Hansestadt Lüneburg zum Ziel gesetzt. Wie gelingt das im Bereich Mobilität? Damit beschäftigt sich die Veranstaltungsreihe “Lüneburg mobil 2030” des Verkehrswende-Bündnis Lüneburg im Herbst und Winter 2022/23.
Die Veranstaltungen stellen Beispiele aus anderen Städten vor, bieten Hintergrundinformation und laden zur Diskussion ein.
Die Vortragsreihe versteht sich als Vorläufer für den Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongress BUVKO, die Fachtagung für nachhaltigen Verkehr. Dieser findet vom 31. März – 2. April 2023 in der Universität Lüneburg statt.
- Vortragsreihe Lüneburg mobil 2030
Bisherige Veranstaltungen und Infos: https://luene-blog.de/tag/mobil-2030/ - Bundesverkehrskongress BUVKO: Fachtagung für nachhaltigen Verkehr
31. März – 2. April 2023 in der Universität Lüneburg. Anmeldung bis 20. März 2023: https://buvko.de
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