Lebenshilfe: Welt-Autismus-Tag am 2. April 2023
Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag. Autistische Störungen betreffen bundesweit mehrere 100.000 Menschen. Einer von ihnen ist der sechsjährige Mares aus Bleckede. Er klettert gern, redet nicht – und Haareschneiden geht gar nicht. Mit Liebe, Geduld und starken Nerven meistern seine Eltern den Alltag und sind „Experten für das Unerwartete“ geworden.
Mitteilung von: Lebenshilfe Lüneburg-Harburg
Am: 27.03.2023
Online: https://www.lhlh.org/
Foto: Lebenshilfe Lüneburg-Harburg
Energiebündel mit „Spezialkräften“
Foto: Lebenshilfe Lüneburg-Harburg. Der sechsjährige Mares aus Bleckede klettert gern, redet nicht und geht demnächst zur Schule.
Am 2. April ist Welt-Autismus-Tag. Autistische Störungen betreffen bundesweit mehrere 100.000 Menschen. Einer von ihnen ist der sechsjährige Mares aus Bleckede.
Haareschneiden: Auf keinen Fall!
Mares trägt die Haare lang und länger. Die Eltern waren mit ihm beim Friseur, aber der Junge sträubte sich mit Händen, Füßen und Geschrei.
„Ich habe mir extra zuerst die Haare schneiden lassen, damit er sieht, dass nichts Schlimmes passiert“, erzählt sein Vater. „Das ganze Friseurteam hat sich bemüht“, ergänzt seine Mutter. Es half alles nichts. Seitdem wachsen die Haare.
Nur der Pony wird zu Hause gelegentlich geschnitten – und schon das ist kein leichtes Unternehmen. Mares verzieht sich sofort, wenn die Haarschneide-Schere in Sicht kommt.
Autismus-Spektrum-Störung: „Experten für das Unerwartete“
Unerklärliches Verhalten, heftige Ausbrüche, spezielle Kommunikation: Alltag für Daniel und Sina Bagirgan in Bleckede. Ihr zweites Kind, der sechsjährige Mares, hat eine Autismus-Spektrum-Störung.
Die Eltern und seine achtjährige Schwester Amy sind dadurch zu Experten fürs Unerwartete geworden. Mit Liebe, Geduld und starken Nerven meistern sie einen oft aufreibenden Alltag.
„Wir wurden da hineingeworfen“, sagt Daniel Bagirgan. Zeitweise sei das „Survival-Training“ gewesen. „Aber man wächst daran.“
Energiebündel mit Bewegungsdrang
Vor mehr als drei Jahren wurde bei Mares frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Der Junge äußert sich vor allem mit Lauten, nur selten mit einzelnen Worten, er versteht aber vieles.
Körperkraft und Beweglichkeit sind nicht eingeschränkt, im Gegenteil: Mares ist ein Energiebündel, „er hat Spezialkräfte“, sagt sein Vater.
Draußen klettert der Sohn in atemberaubendem Tempo auf jeden Baum. Drinnen geht durch überschießende Kraft und fehlende Einschätzung der Folgen auch mal was zu Bruch. Das ist der Grund, warum der TV-Flachbildschirm im Wohnzimmer von Familie Bagirgan weit oben hängt und die Stehlampe stabile Beine aus Metall hat.
Warum Details beim Essen wichtig sind
So ausgiebig Mares selbst in Bewegung ist, um sich zu spüren, so wenig schätzt er Abwechslung, Veränderung und Neues um sich herum. Wie viele Menschen mit Autismus braucht er feste Strukturen, verlässliche Abläufe und vertraute Details.
Zum Beispiel beim Essen: Nur Penne-Nudeln dürfen es sein, bloß keine andere Sorte. Gurken gehören geschält, in Scheiben und geviertelt auf den Teller. Und wehe, die Doppelkekse zum Naschen sind nicht von einer bestimmten Marke! „Mares prüft das nach“, sagt seine Mutter.
Verständigung über Symbolkarten und Gebärden
Seit gut zweieinhalb Jahren geht Mares in den Heilpädagogischen Kindergarten der Lebenshilfe Lüneburg. Dort lernt er zum Beispiel die Verständigung über Symbolkarten, Gebärden und Fotos. Mittlerweile kann er auch mit anderen Kindern am Tisch sitzen, was für ihn anfänglich eine große Herausforderung war.
„Wir wollen Mares unterstützen, möglichst viel Selbständigkeit zu erlernen, um sich in seinem Umfeld zurechtzufinden“, sagt Kirsten Hanko-Lange, die Mares‘ Gruppe leitet. „Das ist manchmal akribische Schwerstarbeit.“
Autistische Störungen zunehmend
„Autistische Störungen bei Kindern nehmen eindeutig zu“, fügt die Heilpädagogin an und bestätigt damit einen bundesweiten Trend. In ihrer Gruppe betreffe das derzeit zwei Kinder, im neuen Kindergarten-Jahr ab Sommer 2023 werden es vier sein. In der Kita insgesamt seien es derzeit sechs von 30 Kindern.
„Und das sind nur die diagnostizierten Fälle“, sagt Kirsten Hanko-Lange. „Bei weiteren Kindern vermuten wir Autismus.“
Fahrradanhänger wurde nicht bewilligt
Mares hat derzeit Pflegegrad 3. Für die Eltern heißt das: Dauernd muss etwas beantragt, organisiert und geregelt werden.
Mit wechselndem Erfolg: Ein Reha-Buggy wurde nach einigem Hin und Her bewilligt. Aber nicht ein Fahrradanhänger, der sich mit der Sitzeinheit des Buggys nutzen ließe und der Familie einen Radausflug ermöglichen würde.
Traum vom Haus mit Garten
Auf eigene Kosten kann sich die Familie solche Hilfen kaum leisten. Der Vater hat gerade als Justizfachwirt am Amtsgericht angefangen, bisher bekam er Ausbildungsvergütung. Die Mutter arbeitet als Raumpflegerin in einer Kita.
Trotz engem Budget bleibt ein großer Traum:
Von der Mietwohnung im Zentrum Bleckedes in ein Haus mit Garten wechseln zu können. „Dann hätte Mares Platz und Ruhe“, sind die Eltern überzeugt.
Detlev Brockes
Wikipedia: Autismus
Autismus, aktuelle fachliche Bezeichnung Autismus-Spektrum-Störung, ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Diese tritt in der Regel vor dem dritten Lebensjahr auf und zeigt sich in mindestens einem der folgenden drei Bereiche:
- Probleme beim wechselseitigen sozialen Umgang und Austausch (etwa beim Verständnis und Aufbau von Beziehungen).
- Auffälligkeiten bei der sprachlichen und nonverbalen Kommunikation (etwa bei Blickkontakt und Körpersprache).
- eingeschränkte Interessen mit sich wiederholenden, stereotyp ablaufenden Verhaltensweisen.
Betroffene benötigen oft – manchmal lebenslang – Hilfe und Unterstützung. Autismus ist unabhängig von der Intelligenzentwicklung, jedoch gehört Intelligenzminderung zu den häufigen zusätzlichen Einschränkungen. Trotz umfangreicher Forschungsanstrengungen gibt es derzeit keine allgemein anerkannte Erklärung der Ursachen autistischer Störungen.
Weiterlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Autismus
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