Übung zum Katastrophenschutz am 26.10.2024 im Landkreis Lüneburg. Die Mitarbeitenden waren höchst gefordert.

Alarm beim Hochwasserschutz: „Dem Land ist die Lage vor Ort nicht bewusst“

Hochwasser an der Elbe: Am 26. Oktober 2024 probte der Katastrophenschutz-Stab im Landkreis für den Ernstfall. Alarm schlagen die Landkreise Harburg und Lüneburg und die betroffenen Deichverbände nach der diesjährigen Herbstdeichschau. Sie sehen erheblichen Handlungsbedarf und fordern vom Land Niedersachsen dringend mehr Personal und Mittel.


Mitteilung von: Landkreis Lüneburg – Am: 30.10.2024
Online: mehr – Foto: Landkreis Lüneburg


Hochwasserschutz: „Land ist die Lage vor Ort nicht bewusst“

Foto: Landkreis Lüneburg. Hochwasser an der Elbe – der Katastrophenschutz-Stab probte am 26. Oktober 2024 den Ernstfall im Landkreis Lüneburg. Verwaltungsmitarbeitende, Feuerwehrleute und Fachberatende aus Hilfsorganisationen arbeiteten Seite an Seite. Die Erkenntnisse fließen in die Planungen für den Katastrophenschutz im Landkreis ein.

Hochwasser als drohende Gefahr

Sanft dahinplätschernde Flüsschen werden plötzlich zu reißenden Strömen. Die Gewalt des Wassers reißt alles mit, Fluten bedrohen Menschen und Tiere. Wie schnell ein solches Szenario Wirklichkeit werden kann, hat sich nach Weihnachten 2023 in Niedersachsen oder im Sommer 2024 am Oberlauf der Elbe gezeigt.

Die Landkreise Harburg und Lüneburg und die Deichverbände – Artlenburger Deichverband, Harburger Deichverband sowie Deich- und Wasserverband Vogtei Neuland – schlagen Alarm. Sie fordern, dass das Land Niedersachsen, das für den Hochwasserschutz zuständig ist, aktiv wird.

Deichbaumaßnahmen überfällig

„Umweltminister Christian Meyer muss die erforderlichen personellen und finanziellen Prioritäten für den Hochwasserschutz setzen“, betonen die Landräte Rainer Rempe (Harburg) und Jens Böther (Lüneburg).

„Deichbaumaßnahmen sind längst überfällig. Wir haben akute Defizite im Bereich des Hochwasserschutzes an den Haupt- und Schutzdeichen. Ursache der schleppenden Realisierung von Deichbaumaßnahmen, des Bau- und Planungsstillstands ist eine unzureichende Unterstützung des Landes bei Planung und Finanzierung. Dem Land scheint der Ernst der Lage vor Ort nicht ausreichend bewusst zu sein.“

Deichschauen zeigen deutliche Defizite

Die jüngsten Deichschauen haben es noch einmal deutlich gemacht: Der Zustand der aktuellen Schutzdeiche entspricht nicht mehr den heutigen Standards. Sie können ihren Zweck nicht mehr hinreichend erfüllen, gerade mit Blick auf den Klimawandel mit zunehmenden Starkregen- und Hochwasserereignissen.

„Die Ausbaubedarfe sind enorm. Eine zeitgerechte Umsetzung der notwendigen Deichbaumaßnahmen durch das Land wird bei allen bisher vorgesehenen Anstrengungen aber deutlich verfehlt“, stellt Landrat Rempe fest.

„Wir dürfen nicht darauf vertrauen, dass die Deiche im Ernstfall ausreichen. Wir müssen stattdessen den Deichbau signifikant beschleunigen“, sagt auch Landrat Böther. „Angesichts der Herausforderungen, vor die uns der Klimawandel stellt, wächst die Bedeutung eines umfänglichen Hochwasserschutzes durch die Deiche.“

Bestandsanalyse des NLWKN: Elbdeiche müssten um bis zu 1,30 Meter erhöht werden

Wie notwendig ein Ausbau und die Erhöhung der Deiche auf den neuesten technischen Stand sind, hat der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) bereits 2020 in einer Bestandsanalyse zu den Hochwasserdeichen festgestellt.

So müssen die Elbdeiche angesichts der Herausforderungen ertüchtigt und erhöht werden – um bis zu 1,30 Meter. Der Hauptdeich von der Landesgrenze Hamburg bis in den Landkreis Lüneburg beispielsweise soll nach den Planungen von derzeit 8,40 bis 8,90 Metern auf 9,50 Meter erhöht werden.

Besonderer Handlungsbedarf bei rückwärtigen Schutzdeichen

Besonderer Handlungsbedarf besteht bei den rückwärtigen Schutzdeichen. Die Deiche an den Elbe-Nebenflüssen müssen zum Teil neu gebaut und an den Stand der Technik angepasst werden. Denn es handelt sich teilweise um unzureichend verdichtete Sanddeiche. Auch fehlen notwendige Hochwasserschutzeinrichtungen wie Deichrampen und Unterhaltungswege, und auch Deichverteidigungswege müssen geschaffen oder erneuert werden werden.

Ausbaubedarf der Schutzdeiche bereits vor 14 Jahren verbindlich festgestellt

Doch es ist eine nahezu unendliche Geschichte: Seit Fertigstellung des Rahmenentwurfs für den Ausbau der Schutzdeiche an Luhe, Seeve, Ilmenau, Roddau und am Neetzekanal 2010 sind bereits 14 Jahre vergangen. Schon dort ist der Ausbaubedarf verbindlich festgestellt worden. Bis auf einen Planfeststellungsbeschluss im Jahr 2018 zum Aus- und Neubau der Schutzdeiche an der Luhe sind weitergehende Planungen oder gar bauliche Maßnahmen für einen ausreichenden und zukunftsfesten Hochwasserschutz aber nicht erfolgt – trotz regelmäßiger Gespräche und eines regen Briefwechsels zwischen Arbeitsgruppe, Ministerpräsident und Umweltminister.

Im Bereich des Artlenburger Deichverbands seit fast 20 Jahren keine Deichbaumaßnahmen mehr

Das zuständige NLWKN Lüneburg verweist fast schon gebetsmühlenartig auf fehlendes Personal. Im Bereich des Artlenburger Deichverbands sind sogar schon seit 19 Jahren auf einer Länge von 34 Kilometern keine Deichbaumaßnahmen mehr umgesetzt worden. Deiche sind zu steil, bestehen nur aus Sand und haben schlechte oder keine Deichrampen zur Verteidigung und Unterhaltung.

Das Land hat zwar für die Jahre 2023 bis 2027 insgesamt 100 Millionen Euro für Hochwasserschutz in Niedersachsen bereitgestellt. Doch das reicht bei weitem nicht – allein für die Landkreise Harburg und Lüneburg liegt der Investitionsstau bei rund 200 Millionen Euro. Hinzu kommen bürokratische Hürden.

Forderungen von Landkreisen und Deichverbänden

Die Landkreise und Deichverbände fordern daher:

  • eine erhebliche Aufstockung personeller Ressourcen für den Hochwasserschutz im Geschäftsbereich Lüneburg des NLWKN, um den Planungs- und Baustillstand zu beenden und wenigstens die verfügbaren Gelder einsetzen zu können,
  • die nachhaltige und dauernde Bereitstellung ausreichender Finanzmittel, um alle notwendigen Deichbaumaßnahmen zügig umsetzen zu können,
  • eine Verschlankung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens im Deichbau,
  • eine Haftungsfreistellung für Deichverbände.

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Foto: Landkreis Lüneburg. Von links: Nach der Herbstdeichschau 2024 fordern Christoph Sander vom Deich- und Wasserverband Vogtei Neuland und die Landräte Rainer Rempe und Jens Böther  vom Land Niedersachsen dringend Maßnahmen zum Hochwasserschutz.

Foto: Landkreis Lüneburg. Machen sich Sorgen: Nach der Herbstdeichschau 2024 fordern Christoph Sander (links) vom Deich- und Wasserverband Vogtei Neuland und die Landräte Rainer Rempe und Jens Böther vom Land Niedersachsen dringend Maßnahmen zum Hochwasserschutz.

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