Foto: NGG, Tobias Seifert. Gummiband Arbeitszeit.

Mehr arbeiten? Schon jetzt 2 Millionen Überstunden im Kreis Lüneburg – und gut die Hälfte zum Nulltarif

Mehr arbeiten müssten Beschäftigte in Deutschland, so Bundeskanzler Friedrich Merz. Kein Schrauben am Arbeitszeitgesetz, warnt die Gewerkschaft NGG dagegen: Laut einer Untersuchung werden bereits reichlich Überstunden geleistet – und gut die Hälfte auch noch ohne Bezahlung. Allein im Kreis Lüneburg dürften über eine Million unbezahlte Überstunden zu Buche schlagen.


Mitteilung von: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Lüneburg – Am: 27.08.2025
Online: https://lueneburg.ngg.net/ – Foto: NGG Region Lüneburg


Beschäftigte im Kreis Lüneburg schieben 2 Millionen Überstunden – viele zum Nulltarif

Foto: NGG | Tobias Seifert. Gestretchte Arbeitszeit: Die Stunden im Job lassen sich nicht wie ein Gummiband ziehen, sagt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die NGG Lüneburg will verhindern, dass die Bundesregierung den 8-Stunden-Tag abschafft.

Der Kreis Lüneburg schiebt ordentlich Überstunden: Rund 2 Millionen Stunden haben Beschäftigte im vergangenen Jahr im Landkreis Lüneburg zusätzlich gearbeitet. Davon rund 1,1 Millionen Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem „Arbeitszeit-Monitor“ hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.

Jede zweite Überstunde bleibt unbezahlt

Allein in Hotels und Gaststätten im Landkreis Lüneburg leisteten Köche, Kellnerinnen, Barkeeper & Co. im vergangenen Jahr rund 45.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Die Wissenschaftler haben dabei für den Kreis Lüneburg bundesweite Durchschnittswerte von Arbeitszeiten in der Gastronomie herangezogen. Demnach waren 52 Prozent aller im Landkreis Lüneburg geleisteten Überstunden in Hotels, Restaurants, Gaststätten und Biergärten unbezahlt.

Protest gegen Abschaffung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und des 8-Stunden-Tags

Die Gewerkschaft warnt: Der Überstundenberg im Kreis Lüneburg dürfte demnächst noch größer werden. Grund seien Pläne der Bundesregierung, die Arbeitszeit neu zu regeln: „Schwarz-Rot will eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und den 8-Stunden-Tag abschaffen. Betriebe könnten von ihren Beschäftigten dann verlangen, auch zehn, elf oder in der Spitze sogar 12 Stunden und 15 Minuten pro Tag zu arbeiten“, sagt Steffen Lübbert von der NGG Lüneburg.

Die NGG Lüneburg schlägt Alarm: Schon jetzt betrage die maximale Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche. In der Spitze seien sogar 60-Stunden-Wochen möglich. „Das sind Extrem-Arbeitswochen. Selbst wenn so ‚Hammer-Wochen‘ innerhalb eines Vierteljahres ausgeglichen werden müssen. Doch noch schlimmer wird es, wenn die Bundesregierung jetzt tatsächlich ans Arbeitszeitgesetz Hand anlegt und den 8-Stunden-Tag kippt.“

Arbeiten bis ans Limit – und darüber hinaus

Was das konkret bedeutet, weiß der Gewerkschafter: „Dann würde nämlich nur noch das europäische Recht ein Wochen-Limit für die Arbeitszeit setzen. Und das wäre brutal: Arbeitgeber könnten ihre Beschäftigten dann sogar zu 73,5-Stunden-Wochen verdonnern – nämlich zu sechs Tagen à 12 Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute.“

„Für Beschäftigte bedeutet das: Arbeiten bis ans Limit – und darüber hinaus“, so Lübbert. Der Geschäftsführer der NGG Lüneburg macht seinem Ärger Luft: „Viele Arbeitgeber im Kreis Lüneburg würden das hemmungslos ausnutzen. Es drohen dann völlig überladene Arbeitswochen, bei denen man die Stunden, in denen man nicht schläft, fast komplett im Job oder auf dem Weg zur Arbeit verbringt. Das macht Menschen dann aber fix und fertig.“

Gesundheitsgefährdung durch überlange Arbeitstage

Lübbert hat dabei die Gesundheit der Beschäftigten im Blick: „Nach acht Stunden Arbeitszeit steigt die Gefahr von Arbeitsunfällen rasant an. XXL-Arbeitstage bedeuten auf Dauer eine Belastung für den Körper und für die Psyche: von Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen bis zum Burnout“, so Lübbert. „Außerdem würde dabei ein Riesenberg an Überstunden auflaufen. Und ans Abfeiern der Überstunden ist sowieso nicht zu denken – bei dem Fachkräftemangel, der eigentlich überall herrscht.“ 

Arbeit muss mit Familienaufgaben vereinbar bleiben

Außerdem im Fokus der Gewerkschaft: Wer die Familie, den Beruf und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen müsse, brauche vor allem eines – planbare und verlässliche Arbeitszeiten. Und die müssten auch zu den Betreuungszeiten von der Kita und vom Hort passen. „Denn wer holt die Kinder dort ab, wenn die Schicht zwölf Stunden geht?“, fragt Lübbert.

Schon heute jonglierten Familien zwischen Job, Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen. „Längere Arbeitstage verschärfen die Probleme und verhindern eine gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Pflege. Denn obwohl sich viele Väter wünschen, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, wird durch noch längere tägliche Arbeitszeiten das Alleinverdienermodell gestärkt“, warnt Steffen Lübbert. Anstatt das Fachkräftepotential von Frauen zu nutzen, verhinderten XXL-Schichten eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Appell an Bundestagsabgeordnete aus dem Kreis Lüneburg: Flexible Arbeitszeiten bereits möglich

Die NGG Lüneburg nennt dazu auch Zahlen: So werden aktuell 57 Prozent aller Teilzeit-Jobs im Landkreis Lüneburg von Frauen gemacht. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Angaben der Arbeitsagentur. Lübbert appelliert daher an die Bundestagsabgeordneten aus dem Kreis Lüneburg und der Region, dem „Herumschrauben am Arbeitszeitgesetz in Berlin einen Riegel vorzuschieben“.

Schon jetzt seien flexible Arbeitszeiten im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes und durch Tarifverträge, die die NGG abgeschlossen habe, für viele Beschäftigte Alltag. „Noch mehr Flexibilität ist gar nicht nötig“, so Lübbert.

Wichtiger: Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und systematische Qualifizierung

Außerdem ersetzten 10- oder 12-Stunden-Tage keine fehlenden Fachkräfte. „Gute Arbeitsbedingungen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, systematische Qualifizierung und mehr Ausbildung. Das sind die richtigen Hebel für mehr Fachkräfte. Verschiebereien bei der Arbeitszeit sind nichts anderes als das Löcherstopfen bei einer zu dünnen Personaldecke“, so Steffen Lübbert.

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Rechtsberatung. Foto: NGG.

Die Gewerkschaften beraten auch bei strittigen Fragen rund um den Job. Foto: NGG.

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