Niedrigwasser in Niedersachsen: Folgen des Klimawandel sind spürbar
Ein Fischsterben wie in der Oder ist auch in Niedersachsen möglich – einfach weil der Sauerstoffgehalt durch die Erwärmung des Wassers zu niedrig wird, so Gewässerexpertin Stephanie Gudat vom Landesbetrieb für Wasserwirtschaft im Interview. Sie warnt: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Niedersachen angekommen. Kluges Wassermanagement wird gebraucht.
Mitteilung von: Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Am: 11.08.2022
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Foto: NLWKN. Nur noch ein Rinnsal: Wietze bei Wieckenberg.
Stephanie Gudat, Landesbetrieb für Wasserwirtschaft: Klimawandel ist angekommen
Foto: NLWKN. Nur noch ein Rinnsal: Die Wietze bei Wieckenberg. Die Wietze ist ein etwa 30 km langer linker Nebenfluss der Aller (https://de.wikipedia.org/wiki/Wietze_(Aller).
Erneut sorgt ein trockener Sommer für sehr niedrige Wasserstände in den niedersächsischen Oberflächengewässern. Viele Wasserstände, insbesondere im Osten und Südosten des Landes, haben inzwischen den Extremwertbereich erreicht – mit ernsten Konsequenzen.
Für die Gewässerexpertin Stephanie Gudat vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) ist klar: Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Niedersachen angekommen und messbare Realität. Im Interview erläutert sie die aktuelle Situation und wichtige Maßnahmen.
Wasserstände im Extremwertbereich – niedrigste jemals gemessene Werte
Frau Gudat, an der Aller im Landkreis Helmstedt sorgte ein Fischsterben zuletzt für dramatische Bilder. Wie ernst ist die Situation aktuell an den niedersächsischen Gewässern?
Stephanie Gudat: Bedingt durch die anhaltende Trockenheit verzeichnen die Pegel des NLWKN derzeit tatsächlich nahezu in ganz Niedersachsen sinkende bzw. sehr niedrige Wasserstände. Teilweise befinden sich die Pegelstände insbesondere im Osten und Südosten dabei im Extremwertbereich der niedrigsten jemals hier gemessenen Wasserstände.
Und auch an der Abflusssituation wird die aktuell angespannte Lage greifbar: An der Ilmenau waren zum Beispiel bereits im Juli sehr geringe Abflussmengen messbar, die wir selbst in den ausgeprägten Trockenjahren 2018 bis 2020 erst Ende des Sommers verzeichnet haben. Eine grundlegende Änderung der Lage ist dabei angesichts der aktuellen Wetterprognosen nicht absehbar.
Fischsterben in Flüssen auch bei uns möglich
Heißt das, dass wir uns auch andernorts in den kommenden Wochen auf Konsequenzen wie Fischsterben einstellen müssen?
Akute Probleme für die Fischfauna sind leider mindestens für den Rest des Sommers ein absolut realistisches Szenario. Es kommt bei derart geringen Wasserständen insbesondere bei warmem Wetter schnell zu kritischen Sauerstoffgehalten.
Hierbei überlagern sich zwei Faktoren: Geringe Wassermengen erwärmen sich schnell, was zu einer geringen Löslichkeit von Sauerstoff führt. Zugleich sind die absoluten Gehalte an Sauerstoff in einem Gewässer aufgrund des kleineren Wasservolumens herabgesetzt.
Bei Werten deutlich unter 4 mg/l droht den Fischen in dieser Konstellation akute Gefahr, wenn keine Möglichkeit besteht, in sauerstoffreichere Gewässerabschnitte bzw. Gewässerbereiche auszuweichen.
Insbesondere kleinere Gewässer können unter den aktuellen Bedingungen auch ganz trockenfallen – mit verheerenden Konsequenzen für die Artenzusammensetzung an den Gewässern: Denn durch Niedrigwasser geht wertvoller Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren.
Seen heizen sich großflächig auf – Blaualgen wachsen
Macht sich die aktuelle Wetterlage auch an den niedersächsischen Seen bemerkbar?
Das Seenkompetenzzentrum des NLWKN führt unter anderem am Dümmer und am Steinhuder Meer laufend Untersuchungen durch. Von unseren Messstellen wissen wir, dass die Wasserverluste an diesen großflächigen Seen, die starker Verdunstung ausgesetzt sind, in diesem Sommer erheblich sind.
Am Dümmer fehlen derzeit rund 20 cm Wasser und damit knapp 1/5 des Wasservolumens zum normalen Sommerwasserstand. Das entspricht etwa drei Millionen Kubikmeter Wasser. Am Steinhuder Meer zeigt sich eine ähnliche Tendenz: Hier liegt der Wasserstand aktuell 30 cm unter dem normalen Sommerwasserstand, fast ¼ des Wasservolumens – rund 10 Millionen Kubikmeter – fehlen hier.
Zugleich heizen sich diese großflächigen Seen derzeit stark auf – auf stellenweise über 30 Grad. Die erhöhten Temperaturen begünstigen die Entwicklung von Cyanobakterien – also Blaualgen -, die aktuell in vielen Seen wie Dümmer, Zwischenahner und Steinhuder Meer wieder ein Thema sind.
Solange Teile der Seen nicht trockenfallgefährdet sind, ist die Lage für die Fischfauna dennoch vergleichsweise entspannt. Denn die Algen im See produzieren derzeit ebenfalls viel Sauerstoff, sodass selbst die übliche Sauerstoffzehrung in der Nacht nahezu kompensiert wird.
Vorgänge sind eine klare Folge des Klimawandels
Ist das, was wir derzeit erleben, wirklich ein neues Phänomen? Hat es Niedrigwassersituationen nicht auch schon in früheren Jahren immer wieder mal gegeben?
Natürlich gehören Phasen mit Niedrigwasser in einem gewissen Rahmen zur normalen Saisonalität an einem Gewässer. Die Daten und Auswertungen des NLWKN zeigen allerdings: Die Dauer dieser Phasen nimmt zu, zugleich wird dabei der Ausschlag nach unten – die Amplitude – größer.
Wir haben insbesondere in den letzten Trockenjahren und wahrscheinlich auch dieses Jahr in zeitlich sehr kurzer Folge neue historische Tiefststände erreicht. Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung ein klares Ergebnis des Klimawandels: Durch den Klimawandel werden Dürreperioden, also Zeiten mit wenig Niederschlag und hohen Temperaturen, zunehmen – auch in Niedersachsen.
Nachhaltiges Wassermanagement: Wertvolle Niederschläge zurückhalten für Mangelsituationen
Wird uns also künftig weniger Wasser zur Verfügung stehen?
Die Niederschlagsmenge bleibt übers Jahr verteilt gleich. Wir leben im weltweiten Vergleich immer noch in einer wasserreichen Region. Was sich ändert, ist die Verteilung. Im Sommer tritt Niederschlag zunehmend als Gewitter- und Starkregen auf. Dieses Wasser kann allerdings nicht in die Böden einsickern und führt damit nur kurzfristig zu einer Erhöhung der Fließgewässerpegel.
Was kann die Wasserwirtschaft tun, um dieser Entwicklung zu begegnen?
In der Vergangenheit stand auch in Niedersachsen vor allem eine Frage im Vordergrund: Wie bekomme ich das Wasser – etwa im Hochwasserfall – schnell aus der Fläche heraus. Künftig wird ein kluges und nachhaltiges Wassermengenmanagement gebraucht. Kurz gesagt: Es geht darum, das Wasser in niederschlagsreichen Zeiten zurückzuhalten, so dass es in Mangelsituationen zur Verfügung stehen kann.
Derzeit ist es so, dass das überschüssige Wasser einfach abfließt und irgendwann in der Nordsee landet, wo es dann für eine weitere Nutzung im Sommer verloren ist. Nach allem, was wir heute wissen, ist absehbar: Süßwasser wird zukünftig auch bei uns eine begehrte und wertvolle Ressource sein!
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