Trockenheit in Niedersachsen: Gewässer renaturieren – landwirtschaftliche Erträge über dem Vorjahr
Die lange Trockenheit hat Folgen: In begradigten Flüssen haben Fische und Kleintiere keine Rückzugsmöglichkeit. Der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft ruft auf zum Renaturieren. Die Erträge bei Weizen, Raps und Gerste liegen trotzdem über dem Vorjahr, so das Statistische Landesamt Niedersachsen.
Mitteilung von: Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Am: 24.08.2022
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Foto: Niedrigwasser im Lösegraben in Lüneburg, von der Brücke Lünertorstraße, August 2022. Foto: Lüne-Blog.
Niedersachsen: Fließgewässer im Doppel-Stress
Begradigte Flüsse können sich kaum an die Trockenheit anpassen
Massenweise tote Muscheln am ausgetrockneten Grund der Aller – auch das ist ein Bild dieses regenarmen Sommers und der damit verbundenen Auswirkungen auf die Fließgewässer in Niedersachsen. „Durch Niedrigwasser geht Lebensraum für Pflanzen und Tiere verloren“, erklärt Dr. Astrid Deek, Geschäftsbereichsleiterin in Braunschweig. An vielen Gewässern in Niedersachsen werden derzeit Niedrigwasserstände im Extremwertbereich gemessen.
Niedrige Wasserstände auch Folge von Begradigung
Die geringe Widerstandskraft der Gewässer gegen derartige Extremereignisse sei nicht zuletzt Folge menschlichen Handelns, so der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).
„Aufgrund der Begradigung zahlreicher Gewässer in den vergangenen Jahrzehnten gibt es zu wenige naturnahe Gewässer, von denen aus sich die gewässertypischen Arten wieder ausbreiten könnten“, betont Deek.
Wehre und Abstürze verhindern Wandern von Fischen und Kleintieren
Sie sorgt sich um die ökologischen Folgen des trockenen Sommers. Gleichzeitig geht sie davon aus, dass es schon lange ein stilles Sterben in den Gewässern gibt, verursacht durch den in der Vergangenheit betriebenen Ausbau und ihre Übernutzung.
„Die Gewässer sind insbesondere im vergangenen Jahrhundert mit dem Ziel einer schnellen Wasserabführung begradigt und ausgebaut worden, dass sie kaum noch eine Resilienz gegenüber solchen Extremereignissen haben“, so Deek. Wehre und Abstürze verhindern darüber hinaus die Passage für wandernde Fische sowie für Muscheln, Bachflohkrebse und andere Kleintiere.
Rückzugsmöglichkeiten für Tiere fehlen
„Zugleich wirken sich geringe Abflüsse und hohe Temperaturen auf ausgebaute Gewässer besonders stark aus, wenn Ufergehölze fehlen und durch Aufstau geringe Fließgeschwindigkeiten vorherrschen. Dann erwärmt sich das Wasser besonders stark, was zu kritischen Sauerstoffgehalten im Wasser führen kann.
Es fehlen tiefere Rinnen und Stellen, in denen sich das wenige Wasser sammeln könnte, wohin sich die Tiere zurückziehen könnten“, erläutert die NLWKN-Gewässerbiologin Claudia Wolff. „Durch die Begradigung haben sich viele Gewässer tief eingegraben, was bis heute die Landschaft entwässert und damit Dürresituationen zusätzlich verschärft.“
Nachhaltiges Wassermanagement und Renaturierung notwendig
Die Gewässerbiologen des NLWKN setzen auf nachhaltiges Wassermengenmanagement. Das bedeutet, dass Wasser in niederschlagsreichen Zeiten in der Landschaft zurückgehalten wird und niederschlagsarmen Perioden zugute kommt.
Besonders wichtig ist ergänzend eine naturnahe Fließgewässerentwicklung: Durch pendelnde oder gar mäandrierende Gewässerläufe und naturnahe Strukturen mit Totholz, Kiesbänken und Ufergehölzen entstehen vielfältige Lebensräume. Diese bieten den Tieren Rückzugsräume bei Hoch- und Niedrigwasser und erhöhen so die Anpassungsfähigkeit bei Extremereignissen. Zusätzlich tragen diese Maßnahmen zum Zurückhalten des Wassers bei.
Praktische Anregungen zum Herunterladen
Der NLWKN stellt dazu Leitfäden und Gewässerbewirtschaftungspläne mit zahlreichen praktischen Anregungen und Hinweisen zu Fördermöglichkeiten bereit.
- Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz:
Mehr Information und Aktionsprogramm Niedersächsische Gewässerlandschaften – https://www.nlwkn.niedersachsen.de/38719.html - Weiterlesen: Was tun, damit die Bäche nicht austrocknen? tageschau.de (26.08.2022)
Austrocknende Bäche sind ein zunehmendes Problem in Deutschland. Sie sind auch eine Gefahr für Tiere, die in den Gewässern leben. Was lässt sich dagegen tun? – mehr
Mitteilung von: Landesamt für Statistik Niedersachsen – Pressemitteilung Nr. 099 vom 23.08.2022
Landesamt für Statistik Niedersachsen: Trotz Dürre guter Ertrag
Wie das Landesamt für Statistik Niedersachsen anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, werden im Jahr 2022 voraussichtlich rund 5,9 Mio. Tonnen Getreide (ohne Körnermais) in Niedersachsen eingefahren. Damit liegt die Getreideernte 10,7% über dem Vorjahreswert. Der Zuwachs der Anbauflächen für Getreide ist mit 763.600 Hektar im Jahr 2021 auf aktuell ca. 765.700 Hektar nur unbeträchtlich.
Erträge von Weizen, Gerste und Raps trotz langer Dürre meist positiv
Bis auf wenige Spätdruschgebiete an der Küste ist die Ernte beim Getreide (ohne Körnermais) und Raps abgeschlossen. Die Erträge von Weizen, Gerste und Raps überraschen trotz langanhaltender Dürre meist positiv. Beim Getreide liegen sie im Durchschnitt 9,3% höher als der Mittelwert der letzten 6 Jahre.
Dennoch sind die hohen Erträge, insbesondere beim Winterweizen, nicht nur Grund zur Freude. Von vielen Seiten wurde über geringe Proteingehalte berichtet, sodass der Weizen nicht immer die Vorgaben für die industrielle Lebensmittelerzeugung erreicht hat.
Winterraps ebenfalls zufriedenstellend
Dem Winterraps kam die feuchte und milde Witterung des Februars zugute. Der Ertrag von durchschnittlich 44,3 dt/ha, guter Ölgehalt und hohe Erzeugerpreise stimmen viele Landwirtinnen und Landwirte, die zuletzt 2014 auf ähnlichem Niveau geerntet haben, zufrieden. Die Anbaufläche für Winterraps ist seit 2019 erneut angestiegen.
Verteilung der Niederschläge und Böden regional sehr unterschiedlich
Die Verteilung der Erträge für Getreide und Raps ist 2022 sehr heterogen, analog zu den Niederschlägen. Außer an der Küste waren diese bisher meist als Gewitter nur lokal und selten ergiebig.
Die durchschnittliche Niederschlagsmenge im Juni von nur 42,3 mm und im Juli von 44,4 mm war im Vergleich zum langjährigen Mittel (1981-2021) mit 71,6 mm bzw. 76,2 mm insbesondere im „sandigen Gürtel“ sehr problematisch. Niederschlagsdefizite konnten oft nur durch intensive Beregnung ausgeglichen werden.
Die Lehmböden Südniedersachsens oder auch die Marschböden im Norden hatten durch ihre hohe Wasserspeicherkapazität klare Vorteile.
- Landesamt für Statistik Niedersachsen: Mehr Information – mehr
Methodischer Hinweis: Die Daten stammen aus der Besonderen Ernte- und Qualitätsermittlung (BEE) mit Stand 19.08.2022, die durch Schätzungen aus der Ernteberichterstattung (EBE) mit Stand Ende Juli / Anfang August 2022 ergänzt wurden. Bei den Ergebnissen der BEE handelt es sich um gemessene Ergebnisse repräsentativ ausgewählter Flächen in Niedersachsen. Von 870 Probeschnitt- und Volldruschflächen für Getreide und Raps wurden zum 19.08.2022 insgesamt 801 Flächen ausgewertet. Beim Getreide nahmen 1018 Landwirtinnen und Landwirte an der Umfrage der EBE teil, beim Winterweizen beruht das Ergebnis auf Angaben von 713 Betrieben.
Information: Ackerbau – wo landet die Ernte?
„Der Ackerbau besitzt mit rund 70 Prozent den größten Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Auf dem Acker werden Kulturen wie Weizen, Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln oder verschiedene Gemüse angebaut.“
Auf mehr als der Hälfte dieser Fläche wächst Futter für Nutztiere, informiert das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: mehr
Wo die Ernte landet: Auf dem Teller, im Trog oder im Tank?
„In Deutschland werden nur 20 Prozent des hier geernteten Getreides für Lebensmittel verwendet, der überwiegenden Teil landet in Futtertrögen, der Rest wird für Agrodiesel/-benzin sowie in der Industrie verarbeitet“, berichtet der Deutschlandfunk (25.08.2022 – mehr)
- Im Trog: „Knapp 60 Prozent des Getreides in Deutschland … wird an Schweine, Rinder und Geflügel verfüttert. Problematisch angesichts steigender Preise, doch ein Umsteuern ist kompliziert“, teilt die Tagesschau am 18.04.2022 mit – mehr.
- Im Tank: Auf rund 2,45 Millionen Hektar – rund 15 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche – werden nachwachsende Rohstoffe angebaut (Stand 2019). Mit rund zwei Drittel davon, vor allem Mais, wird Biogas erzeugt. Ein Drittel, vor allem Raps, wird für Biokraftstoffe genutzt. Nur etwas über ein Zehntel wird in der Industrie verarbeitet, so das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft – mehr
„Für Deutschland und die meisten anderen Länder der EU sehen Agrarexperten und -expertinnen die Versorgungssicherheit mit Lebensmittel derzeit nicht in Gefahr. Bei Weizen haben die EU und Deutschland einen Selbstversorgungsgrad von mehr als 100 Prozent – das heißt, sie produzieren mehr, als für die eigene Versorgung benötigt wird. Deutschland ist in der EU nach Frankreich der zweitgrößte Getreideproduzent“, teilt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft mit – mehr.
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