Kundgebung zum Weltflüchtlingstag, 20.06.2023, Marktplatz Lüneburg. Foto: Lüne-Blog, J. Korn.

„Menschen wie wir“ – Zwei Redebeiträge von der Kundgebung zum Weltflüchtlingstag 2023

Am Weltflüchtlingstag, Dienstag, 20. Juni 2023, hatte die Seebrücke Lüneburg mit weiteren örtlichen Verbänden zu einer Kundgebung gegen die Reform des “Gemeinsamen Europäischen Asylrechts” (GEAS) aufgerufen. „Es geht um Menschen – wie Sie, wie ihr und ich“, erinnerte bei diesem Anlass ein lesenswerter Redebeitrag. Ein zweiter der Grünen Jugend fordert, die Asylrechtsverschärfungen zu stoppen.


Mitteilung von: Flüchtlingshilfe Lüneburg / Grüne Jugend Lüneburg – Am: 20.06.2023
Foto: J. Korn, Lüne-Blog


Lüneburg: Kundgebung zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni 2023

Am Weltflüchtlingstag, Dienstag, 20. Juni 2023, hatten verschiedene Lüneburger Verbände – Seebrücke Lüneburg, Grüne Jugend Lüneburg, links jugend, DIE LINKE KV Lüneburg, das Friedensbündnis und der Stadtjugendring – aufgerufen zu einer Kundgebung. Kritik wurde insbesondere geübt an der Reform des “Gemeinsamen Europäischen Asylrechts” (GEAS).

Die Kundgebung mit rund 90 Teilnehmenden fand auf dem Marktplatz in Lüneburg statt. Leider spielte die Verstärkeranlage nicht mit, sodass alle sehr laut sprechen mussten und es keine Musik gab.

„Menschen wie wir!“ – Zwei Redebeiträge

Zwei Rednerinnen haben ihre hier ihre Redebeiträge zur Verfügung gestellt. Die eine, Martina Früchtnicht-Truxius, berät seit etwa zehn Jahren Menschen aus und um Lüneburg, die von Flucht und Vertreibung betroffen sind.

Im Verbundprojekt »LINA« (Langfristige Integration – nachhaltige Arbeitsbegleitung für Geflüchtete; VHS REGION Lüneburg) gibt es hier Beratung und langfristige Unterstützung für Geflüchtete, die einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz suchen (mosaique Terminkalender – mehr).

Ich bin Martina Früchtnicht-Truxius und komme aus dem mosaique, das Haus der Kulturen in der Katzentraße. Dort beraten wir jeden Mittwoch, immer ab 15 Uhr, Menschen aus und um Lüneburg, die von Flucht und Vertreibung betroffen sind.

Das sind Menschen, die ihren Kulturraum verlassen mussten, ihre Liebsten und Familien, ihre Freunde und soziales Umfeld. Sie mussten ihre Arbeit, ihren Wohnraum, Haus, Garten, Feld, Tiere, Berufe aufgeben, die Gewohnheiten mit ihren Menschen zu sein.

Es sind Menschen, die hier sind – Menschen, wie wir

Absichtlich spreche ich hier und heute nicht von „Flüchtlingen“, „Geflüchtete“, „Vertriebene“, „Die“, „die Welle“, „die Flut“, die „ANDEREN“, … Denn: Wir sind alles Menschen auf diesem Erdball, egal wo wir her kommen, egal wo wir zu Hause sind und waren.

DAS möchte ich in den Vordergrund rücken, nicht die Politik, nicht Parteien, nicht Parlamente, nicht Räte, nicht Verfassung, nicht Gesetze. Es geht um Menschen – wie Sie, wie ihr und ich.

Es gibt keine sicheren Fluchtwege …

Die Arbeit der Beratung mache ich bereits fast 10 Jahre und ich habe so viele Menschen aus vielen Ländern der Erde getroffen und gehört. Ich habe unendlich viele – so kommt es mir vor – Erzählungen erfahren von Flucht, von Fluchtwegen, von den Durchgangsländern, von den Gefahren.

Tortur und Elend, Angst, Hunger und Durst, Folter, Ohnmacht, Vertreibung und Verfolgung und Angst vor dem Ertrinken. Es gibt keine sicheren Fluchtwege.

Suche nach Schutz

Für uns in der Beratung sind diese Menschen aus der Anonymität herausgetreten. Flucht hat ein Gesicht bekommen!!

Sie suchen Schutz, einfach nur Schutz. Ein Leben frei von Verfolgung und Hass, Folter, Ausgrenzung und Gefahr. Sie brauchen ein lebenswertes Leben, ein Dach über dem Kopf, einen sicheren Raum, zu essen und zu trinken und eine lebenswerte Zukunft und Vision vom Leben.

Der Asylkompromiss: Haftähnliche Einrichtungen – bis zu drei Monate oder länger

Jetzt ist ein Asylkompromiss gefasst worden, das Asylverfahren an die Grenzen Europas zu verlegen. Dieser Kompromiss wird sprachlich und inhaltlich verharmlost, denn es ist eine Aushebelung, eine Aussetzung des europäischen Asylrechts.

Asylsuchende, also Einzelpersonen, Familien, Familien mit Kindern, werden bis zu drei Monaten in haftähnlichen Einrichtungen festgehalten. Und bei diesen drei Monaten wird es nicht bleiben.

Das bedeutet Stacheldraht, Zäune. Die Unterbringung wird Moria und anderen ähnlichen Lagern gleichen, die Zustände sind uns bekannt, sie sind unmenschlich.

Von der Aufnahme freikaufen macht Menschen zur Ware

Länder in Europa, die keine Menschen aufnehmen wollen, können sich freikaufen. Der Mensch als Ware!!!

Weiter kann erklärt werden, das Menschen in sogenannte Drittländer oder sichere Transitländer zurück geschoben werden. All diese Worte werden benutzt, damit nicht impliziert ist, dass es sich um Menschen handelt. Die Diskussionen und Entscheidungen werden absichtlich entmenschlicht.

Schon jetzt wird mit Ländern verhandelt, besser gesagt, nicht verhandelt, sondern sie werden dafür bezahlt, Asylsuchende gar nicht durch zu lassen oder zurück zu nehmen. Der Mensch als Ware!

Setzt euch für die Menschen aus anderen Ländern ein!

Ich stehe hier und spreche zu Ihnen, zu euch, um euch zu bitten: Informiert euch, sprecht mit anderen darüber, informiert euer Umfeld, schreibt an die Parlamente, schreibt an die Politiker, macht öffentlich, was gerade passiert.

Setzt euch ein für die Menschen aus anderen Ländern, die hier schon leben, und denen es sehr oft schon sehr schwer gemacht wird, hier zu leben.

Danke fürs Hiersein und fürs Zuhören.

Grüne Jugend Lüneburg: Asylrechtsverschärfung stoppen – für Menschenrechte, Solidarität und Humanität

Ein zweiter Redebeitrag kommt von Andrea Kabasci. Sie spricht für die Grüne Jugend Lüneburg (https://gruene-lueneburg.de/kreisverband/gruene-jugend).

Danke, dass ihr dem Aufruf heute gefolgt seid. Die geplante Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems muss gestoppt werden. Das, was da gerade verhandelt wird, ist menschenunwürdig.

Wir brauchen ein sinnvolles und solidarisches Asylsystem

Ja, wir brauchen eine Reform des Asylsystems, damit wir endlich eine solidarische Asylpolitik schaffen und die Mittelmeeranrainerstaaten entlasten. Dass Länder wie Deutschland sich aktuell daran nicht so beteiligen, wie es möglich wäre, ist beschämend. Nicht zuletzt aufgrund unserer historischen Verantwortung.

Im Status quo braucht es ein sinnvolles und solidarisches europäisches Asylsystem, dass dafür sorgt, dass Menschen faire Verfahren bekommen und menschenwürdig behandelt werden.

Aktueller Vorschlag ist menschenverachtend

Aber der Vorschlag, der im Minister*innen-Rat Zustimmung fand, ist menschenverachtend. Schutzsuchende sollen an den Außengrenzen eingesperrt werden, gigantische Lager errichtet und Menschen systematisch entrechtet werden.

Dazu soll die Liste der sicheren Herkunftsstaaten ausgeweitet werden, auf Staaten, die ganz sicher nicht sicher sind. Und es werden Verhandlungen mit Ländern wie Tunesien geführt, wo vor kurzem noch der Präsident gegen Geflüchtete gehetzt hat.

Das sind keine Lösungen! Denn: Egal wie hoch die Mauern, egal wie spitz der Stacheldraht, Menschen werden trotzdem fliehen.

Sorge: Klimakrise wird Fluchtbewegungen verstärken

Diese Reform macht mir Angst. Es ist klar, dass die Fluchtursachen in den nächsten Jahren noch schlimmer und vor allem mehr werden. Weite Teile der Welt werden Stück für Stück aufgrund der Klimakrise unbewohnbar.

Dass diese Reform jetzt schon das Grundrecht auf Asyl im Prinzip ad acta legt, ist gefährlich und macht mir Angst davor, wie in 20 Jahren über Asyl diskutiert werden wird.

Verhandlungsergebnis „historischer Fehler“

Vielleicht fragen sich einige, warum wir als Grüne Jugend zu dieser und anderen Demos landesweit mit aufrufen, wenn doch unsere sogenannte Mutterpartei Teil der Regierung ist.

Ganz einfach: Dieser Kompromiss ist und bleibt falsch. Das, was da gerade auf dem Tisch liegt, ist das, wovon Horst Seehofer nachts geträumt hat.

Dass ausgerechnet die Ampel jetzt bei diesen Asylrechtsverschärfungen mitmachen will, ist beschämend. Und es zeigt uns: Die Ampel ist keine linke Regierung. Nancy, dieses Verhandlungsergebnis ist kein historischer Erfolg, es ist ein historischer Fehler!

Asylrechtsverschärfungen stoppen – keine deutsche Zustimmung

Auch und gerade als Grüne Jugend steigen wir den Grünen aufs Dach. Die Reform in der aktuellen Fassung ist abseits aller Grundwerte, die diese Partei und die gesamte Regierung sich einmal auf die Fahne geschrieben hat.

Die deutsche Regierung trägt nicht nur eine historische Verantwortung, sondern muss auch ihrer Verantwortung als größter EU-Staat gerecht werden. In den kommenden Trilog-Verhandlungen müssen die Asylrechtsverschärfungen gestoppt werden, sonst darf es keine deutsche Zustimmung geben.

Kapitalistisches System führt zu Ungleichheit und Ausbeutung

Als politische Linke ist es aber auch unsere Aufgabe, grundsätzliche Frage zu stellen.
– Warum vereinen sich sämtlich Staaten hinter der Vorstellung einer Festung Europas?
– Warum wird unmenschliches Leid in Kauf genommen, um Menschen gewaltsam aus Europa herauszuhalten?

Die Staaten Europas vereinen sich in unserem aktuellen System. Der Kapitalismus kann nicht ohne Ungleichheit, kann nicht ohne Rassismus. Und damit produziert er Elend weltweit.

Er führt dazu, dass es Menschen hier und überall auf der Welt dreckig geht. Das Lebensgrundlagen ausgebeutet werden, Verteilungskämpfe zu Kriegen werden und Menschen gezwungen werden, ihr Zuhause zu verlassen.

Kritik am Kapitalismus – für Menschenrechte, Solidarität und Humanität

Und diejenigen, die davon profitieren, die haben kein Interesse daran, dass Menschen aus anderen Teilen der Welt am sogenannten Wohlstand hier in Europa teilhaben.

Eine grenzenlose Welt wird es nicht im Kapitalismus geben. Deswegen muss unsere Antwort auf eine Politik der Abschottung immer eine kapitalismuskritische, eine internationalistische sein. Dabei können wir uns nicht auf die EU und ihre Regierungen verlassen.

Wir nehmen diese Politik nicht länger hin! Wir kämpfen weiter für Menschenrechte, Solidarität und Humanität!
Gegen Abschottung und Kapital – der Kampf um Befreiung ist international.

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LünepediaLünepedia: Seebrücke

Das Bündnis „Seebrücke. Schafft sichere Häfen“ ist ein deutschlandweites Bündnis gegen die europäische Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten. Ziel ist es, dass Kommunen zu „sicheren Häfen“ für Geflüchtete werden und diese aufnehmen. Auch in Lüneburg ist das Bündnis aktiv.

Weiterlesen: https://www.luenepedia.de/wiki/Seebrücke


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