Foto: traxventure research gGmbH. Das Drohnenfotos zeigt die Landwehr-Schneise und die fehlende Verbindung im Norden von Lüneburg unter Bahn und A39 hindurch.

active_shortcut für attraktive Radrouten – Interview mit Projektverantwortlichem Andreas Thinius

In einer aufwändigen Untersuchung erforschte das Projekt „active_shortcut“ Fuß- und Radwege in und um die Hansestadt Lüneburg. Mit Hilfe von Berechnungen lässt sich prüfen, wo Wegeverbindungen gezielt und effektiv verkürzt werden können. Die Ergebnisse ermöglichen, ein leistungsstarkes Netz für die aktive Mobilität zu entwickeln.


Mitteilung von: active_shortcut – Andreas Thinius
Foto: traxventure research gGmbH. Das Drohnenfoto zeigt die Landwehr-Schneise und die fehlende Verbindung im Norden von Lüneburg unter Bahn und A39 hindurch.


Attraktive Routen schaffen zur Stärkung der aktiven Mobilität

Gemeinsam mit der Hansestadt und dem Institut für Stadt- und Kulturraumforschung der Universität Lüneburg untersuchte Dipl.-Ing. (FH) Andreas Thinius (traxventure research gGmbH) Infrastruktur und Wegeverbindungen vor Ort. Die Ergebnisse sollen beitragen, die Mobilität – Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr – zu verbessern. Am 13. Juni 2022 stellte er das Gemeinschaftsprojekt “active_shortcut” an der Leuphana Universität öffentlich vor (Lüne-Blog – mehr). Im Anschluss stand er für Fragen zur Verfügung.

Attraktive Routen fördern Fuß- und Radverkehr

Herr Thinius, welchen konkreten Nutzen kann eine Kommune aus Ihrer Anwendung ziehen?

active_shortcut ermöglicht einer Kommune, Fuß- und Radverkehr attraktiver zu machen. Das Wegenetz in Lüneburg ist historisch gewachsen. Es hat Lücken und Barrieren. Diese unergonomische Routenführung behindert den Fuß- und Radverkehr und macht den öffentlichen Verkehr weniger zugänglich.

Wenn die Routen dagegen attraktiv und kurz umgestaltet werden, ist damit zu rechnen, dass sich die Verkehrsanteile, der so genannte Modal Split, verschieben: Der Radverkehrsanteil ist bei Strecken unter drei Kilometern typischerweise am höchsten. Je mehr Wege unter drei Kilometern liegen, um so mehr wird – statistisch – Rad gefahren. Das reduziert den motorisierten Verkehr und steigert damit das Wohlbefinden aller.

Hindernisse und Abkürzungen auf der Projekthomepage gesammelt

Die Daten wurden mit Hilfe von Interessierten in Lüneburg zusammengetragen. Wie lief das ab, was haben die Mitwirkenden konkret gemacht?

Die Mitwirkenden haben mit Hilfe ihres Smartphones über unsere Projekt-Homepage https://activeshortcut.de/de/field Hemmnisse und Trampelpfade auf ihren Wegen gemeldet. Aus etwa 130 Bildern konnten sie beispielhaft die Gegebenheiten auswählen und auf Basis von Beispielbildern Lösungen vorschlagen. So ermöglichten wir den Mitwirkenden, spielerisch und niederschwellig ihren Beitrag zu leisten. Die Einträge konnten durch Vorortfotos und Freitext ergänzt werden.

Diese Daten wurden dann ausgewertet und Wegeverbindungen berechnet: Wo gab es besonders viele unterwegs? Welche Behinderungen gab es? Wo ließen sich die Routen durch Infrastrukturmaßnahmen ggf. deutlich verkürzen?

Der Schwerpunkt des Untersuchungszeitraumes lag über die Sommermonate 2021. Da wir nach wie vor das Tool online haben, kommen stetig neue Erhebungen hinzu.

Verbesserung des Radroutennetzes: Brücken und Übergänge im Norden und Süden

Sie haben angegeben, dass Sie mehrere mögliche Verbesserungen in Lüneburg gefunden haben. Können Sie uns da Beispiele geben?

Unser Algorithmus zeigt, dass insbesondere die Ilmenau zu wenig Querungsmöglichkeiten hat.
Für das örtliche Radroutennetz wären zwei Brücken ein echter Qualitätsgewinn:

  • Zum einen eine Querung im Norden in Höhe der Hafenbahnbrücke zwischen Ochtmissen und Bardowick. Hier empfiehlt active_shortcut einen Tunnel unterhalb der Bahnstrecke Hamburg-Hannover / A39, wo der Landwehrgraben Bahn und A39 kreuzt. Beide Infrastrukturen durchschneiden die Landwehr, den grünen Gürtel der Hansestadt Lüneburg. Das Drohnenfoto zeigt, dass hier ein „missing link“ ist.
  • Zum anderen eine Querung südlich der Ostumgehung B4 / B209 über die Ilmenau, südlich vom Campingplatz “Rote Schleuse”, etwa auf Höhe der Straße am Tiergarten.
    Diese Querung würde den Ilmenau-Radweg mit Häcklingen und Rettmer verbinden und könnte als Bypass der unkomfortablen Straßen “Uelzener Straße” und “Rote Schleuse” dienen.
  • Der dritte Vorschlag wäre ebenfalls ein großer Gewinn für den Radverkehr:
    Anhand der Wohnbesiedlung und der Lage der Orte des täglichen Bedarfes zeigte unser Algorithmus eine Verbindung zum Garbers-Center in Rettmer aus Nord-West durch den Kurpark über die Soltau-Bahn. Hilfreich wäre hier ein Bahnübergang oder Durchstich in Rettmer zwischen „Bolzplatz Rosenkamp“ und dem Hinterhof von „AldiNord“.
    Dieser kann die Wegstrecke zwischen Rettmer und Oedeme um bis zu ein Drittel reduzieren und so potenziell zur Entschärfung der gefährlichen KFZ-Situation auf dem Garbers-Center-Parkplatz beitragen. Verbunden sein müsste dies allerdings mit einem deutlichen Ausbau geeigneter Fahrradabstellanlagen vor Ort.

Querungsanlagen als Unfallprävention für Fuß- und Radverkehr

Bei der Auswertung Ihrer Beobachtungen haben Sie ganz verschiedene Formen von Hindernissen gefunden Können Sie da konkrete Beispiele beschreiben?

Wir haben insbesondere das Trampelpfadgeschehen angesehen. Trampelpfade, also nicht vorgesehene Abkürzungen, sind “ehrlich”. Sie zeigen, wie sich Menschen zu Fuß oder mit dem Rad den kürzesten und angenehmsten Weg suchen. Die Muster, die wir auf diese Weise wahrgenommen haben, haben einen hohen Stellenwert in unserem Algorithmus.

Sehr wichtig sind auch fehlende Querungsanlagen. Wenn es keine Querungsmöglichkeit gibt, gehen die Menschen irgendwo über die Straße, wo es ihnen passend erscheint. Und die Radler tauchen als “Geisterradler” unvermutet auf der Fahrbahn auf. Beides ist unfallträchtig. Sichere und zeiteffiziente Querungsanlagen einzurichten, ist nicht nur für active_shortcut interessant, sondern ein wesentliches Puzzleteilchen im Bereich der Verkehrssicherheit.

Digitalisierung des öffentlichen Raums hilfreich zur Verbesserung der Verkehrsströme

Wenn Sie das Projekt weiterführen könnten, welches Ziel würden Sie als nächstes anpeilen? Warum?

active_shortcut hat gezeigt, dass die Arbeit mit kommunalen Daten zum jetzigen Zeitpunkt der Digitalisierung sehr holprig ist. Wir denken, dass active_shortcut ein guter Botschafter ist, um zu zeigen, wie wichtig die Digitalisierung des öffentlichen Raumes ist. Daher liegt uns als nächstes die Ausweitung des Projektes am Herzen. Ein entsprechender Durchlauf im Landkreis Lüneburg steht bereits in der Diskussion.


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Ein Kommentar

  • Hallo
    Ein verkehrsarmer Weg liegt mir besonders am Herzen. Es handelt sich um den Weg hinter dem Behördenzentrum, vom Anfang Treidelweg, über die Salzstraße am Wasser, zum Stintmarkt Ecke Lüner Str.

    Was unter dem ehemaligem OB Mädge immer durch irgendwelche Ausreden, wie Denkmalschutz boykottiert wurde. Obwohl vor den alten Gebäuden früher auch Kopfsteinpflaster lag, wurde es durch einen neuen glatten Bürgersteig ersetzt.
    Es würde schon ein schmaler Streifen bis max. 1 m Breite, mit einem kostengünstigen Belag, wie auf dem Treidelweg reichen.
    Dann fährt auch keiner mehr auf dem schmalen Uferrand der Ilmenau entlang. Und die Stadt Lüneburg könnte sich die Kosten für den Zaun sparen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Norbert P.

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