BUND erfolgreich: Erster Bauabschnitt der A20 in Niedersachsen für rechtswidrig erklärt
Am heutigen 7. Juli 2022 konnte der BUND einen Teilerfolg erzielen mit seiner Klage gegen den Bau der A20. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat der Klage des BUND teilweise stattgegeben und den ersten von 12 Bauabschnitten in Niedersachsen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Grund: Die Beeinträchtigung des Gebietes durch den – falsch berechneten – Stickstoffeintrag kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Mitteilung von: Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V., Regionalgruppe Ostheide
Am: 07.07.20
1. LBU: Glückwünsche an BIs und BUND zum Teilerfolg gegen die A 20
Der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) Niedersachsen freut sich über den Teilerfolg der Bürgerinitiativen (BIs) und des BUND gegen den Bau der A20.
Eckehard Niemann als Vertreter der LBU-Regionalgruppe Ostheide bezeichnet dies als weiteren Ansporn, gemeinsam die klimaschädlichen, zerstörerischen und milliardenteuren „Nonsens-Autobahnen“ A20 und auch A39 (Lüneburg-Wolfsburg) endgültig zu verhindern.
LBU fordert Klima-Neubewertung des Bundesverkehrswegeplans
Der LBU forderte die Grünen erneut auf, endlich die im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltenen Punkte zu nutzen und rasch umzusetzen – nämlich die Klima-Neubewertung des Bundesverkehrswegeplans und das Vetorecht der Grünen gegen Neubau-Vorhaben.
Von: BUND – Am: 07. Juli 2022
2. BUND erfolgreich im Kampf gegen Klimakiller A20
Bundesverwaltungsgericht stoppt Planung zum ersten Abschnitt in Niedersachsen
Heute hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig das Urteil zur BUND-Klage gegen den ersten Abschnitt der Autobahn A20 in Niedersachsen verkündet. Das Gericht hat der Klage des BUND teilweise stattgegeben und damit den ersten von 12 Bauabschnitten in Niedersachsen für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.
Der BUND Niedersachsen hatte gegen den rund 13 km langen Abschnitt geklagt, da der Neubau der A20 zu massiven Schäden an Klima, Natur und Umwelt führen würde und der Bedarf nicht gegeben sei.
Wichtiger Teilerfolg: Fehlerhafte Berechnung zur Stickstoffbelastung
Susanne Gerstner, BUND-Landesvorsitzende: „Das Urteil zur A20 ist ein wichtiger Teilerfolg des BUND im Kampf gegen die A 20. Wir konnten im Verfahren nachweisen, dass die zuständige Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr eine in gleich mehreren entscheidenden Punkten fehlerhafte Berechnung zur Stickstoffbelastung vorgelegt hat. Bei Realisierung der A20 muss mit erheblichen Beeinträchtigungen eines wertvollen Schutzgebietes gerechnet werden.
Mit dem Gerichtsurteil ist der erste Abschnitt der A20 in Niedersachsen bis auf weiteres gestoppt. Die Politik ist nun dringend aufgefordert, die Rote Karte des Gerichtes als Anlass zur Überprüfung des gesamten Vorhabens zu nutzen.“
A20: Umweltschädlichstes Neubauprojekt des Bundesverkehrswegeplans
Infolge der zu erwartenden Schadstoff- und Lärmbelastung ist die A20 das umweltschädlichste Neubauprojekt des Bundesverkehrswegeplans (bezifferte Schäden lt. BVWP 760 Mio. Euro). Schäden durch Versiegelung, Zerstörung von Lebensräumen, Zerschneidung von Landschaften und die Beeinträchtigung von Schutzgebieten kämen hinzu.
Durch die A20 werden rund 19.000 Hektar unzerschnittener Naturräume zerstört, allein durch den Bau der Trasse rund 2.000 Hektar wertvoller Böden. Die geplante Küstenautobahn wird vor allem aber die Klimakrise massiv verstärken. Weit über die Hälfte der geplanten A20 führt durch Moor- und Marschgebiete. Gerade diese Lebensräume sollen laut der Moorschutzstrategie des Bundes und des Landes Niedersachsen prioritär geschützt werden.
Allein für die ersten beiden Abschnitte in Niedersachsen würden 1,8 Mio. m³ Torf ausgehoben und fast 450.000 Tonnen CO2 freigesetzt. Bau, Verkehr und Unterhaltung der A20 würden pro Jahr mehr als 90.000 Tonnen CO2 verursachen.
Gericht: Klimaschutz ausgeblendet
Gerstner weiter: „Sehr bedauerlich ist, dass das Gericht in seiner formaljuristischen Prüfung den Klimaschutz vollständig ausgeblendet hat. Dabei hat der BUND in seiner Klage von Beginn an eine Klimaverträglichkeitsprüfung für die Einzelabschnitte und das Gesamtvorhaben gefordert.
Die Klimakrise ist bereits Realität, alle Planungen müssen an geltenden Klimaschutzanforderungen gemessen werden. Bis heute werden die Klimafolgen nicht betrachtet und jeder der 18 Abschnitte gesondert geplant – eine inakzeptable Salamitaktik!“
Auch Frage des Bedarfs wurde nicht geprüft
Auch der Frage des Bedarfs ging das Gericht nicht nach und verwies den BUND an die Politik. Dies, obwohl der BUND im Verfahren nachweisen konnte, dass die Aufnahme der A20 in den vordringlichen Bedarf aufgrund ihrer schwachen Verkehrsbelegung, des niedrigen Nutzen-Kosten-Verhältnisses und der hohen Umweltbetroffenheit nicht gerechtfertigt war.
Hinzu kommt eine exorbitante Kostenexplosion: Das Neubauprojekt wird mit 7 Milliarden Euro doppelt so teuer wie im Bundesverkehrswegeplan 2030 veranschlagt. Das sind laut BUND Gelder, die dringend für die Bewältigung der Klimakrise und die Mobilitäts- und Energiewende benötigt werden.
BUND fordert: Natur- und Klimaschutz künftig zentrale Grundlage für Planungen
Olaf Bandt, BUND-Bundesvorsitzender, fordert mit Blick auf die Bundespolitik: „Die dieses Jahr anstehende Überprüfung aller geplanten Bundesverkehrsprojekte muss dafür genutzt werden, dass Natur- und Klimaschutz zukünftig zentrale Grundlage für alle Planungen sind.
Verkehrsprojekte dürfen nur dann noch aus- und neugebaut werden, wenn sie zur Eindämmung der Klimakrise beitragen. Die Bundesregierung und das Parlament sind jetzt in der Pflicht, den Bau und die Planung aller Fernstraßenprojekte sofort zu stoppen und neu zu bewerten.“
Hintergrund: Klage des BUND beim Bundesverwaltungsgericht
Im Jahr 2018 hatte der BUND Niedersachsen gegen den Planfeststellungsbeschluss Klage eingereicht. Die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fand am 31. Mai 2022 statt. In dieser machte das Gericht deutlich, dass Klimaschutzbelange bei der formaljuristischen Prüfung nicht berücksichtigt würden. Begründet wurde dies mit dem Planfeststellungsbeschluss im Jahr 2018, also vor Erlass des Klimaschutzgesetzes und des Klimaurteils des Bundesverfassungsgerichts.
Der BUND kritisiert diese Argumentation: Auch vor 4 Jahren hätte der Klimaschutz aufgrund von Artikel 20a Grundgesetz, auf den sich das Klimaurteil maßgeblich stützt, berücksichtigt werden müssen.
Die A20 soll über 200 Kilometer Länge von Westerstede in Niedersachsen über einen Elbtunnel bei Drochtersen bis Bad Segeberg in Schleswig-Holstein verlaufen. In Niedersachsen liegen 12, in Schleswig-Holstein 6 Abschnitte. Für keinen der Abschnitte der geplanten A20 liegt bisher ein rechtskräftiger, vollziehbarer Planfeststellungsbeschluss vor.
Bundesverwaltungsgericht: Bei drei Abschnitten bereits Verstöße festgestellt
In mehreren Klageverfahren hatte das Bundesverwaltungsgericht für drei Abschnitte bereits Verstöße gegen das Wasser- bzw. Artenschutzrecht festgestellt. Seltene Tierarten wie Großes Mausohr, Moorfrosch oder Pirol sind vom Bau der A20 bedroht.
Der BUND wird in seiner Klage unterstützt durch die Initiativen gegen die A20. Seit Jahren protestieren BUND-Aktive zusammen mit dem Bündnis der A20-Gegner und zahlreichen anderen Umweltorganisationen gegen den Bau der A20 und für eine Verkehrswende.
Mehr Information:
Von: Bundesverwaltungsgericht – BVerwG 9 A 1.21 – Urteil vom 07. Juli 2022
3. Bundesverwaltungsgericht: Vorerst kein Bau der A20 zwischen Westerstede und Jaderberg
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute auf die Klage eines Umweltverbandes den Planfeststellungsbeschluss der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr vom 16. April 2018 in der Gestalt des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses vom 3. Februar 2021 für den Neubau des 1. Abschnitts der Bundesautobahn A20 von der A28 bei Westerstede bis zur A29 bei Jaderberg für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.
Derzeit kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass das Vorhaben zu keiner Beeinträchtigung des nahegelegenen FFH-Gebiets „Garnholt“ führt. Darüber hinausgehende Einwände des Klägers hat das Gericht zurückgewiesen. Die weitere Klage eines Landwirts hatte keinen Erfolg.
Hintergrund: Abschnitt als Teil der „Küstenautobahn“ mit „vordringlichem Bedarf“
Der planfestgestellte Abschnitt, der – anders als möglicherweise andere Abschnitte der A20 – keine Moore betrifft, ist Teil der in insgesamt sieben Abschnitte unterteilten sog. „Küstenautobahn“ zwischen Westerstede und Hamburg. Die A20, die bisher von der deutsch-polnischen Grenze bis östlich von Bad Segeberg verläuft, soll nach ihrer Gesamtfertigstellung zusammen mit der A 28 eine Ost-West-Achse von der deutsch-niederländischen bis zur deutsch-polnischen Grenze bilden.
Sie ist Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes und im geltenden Bundesverkehrswegeplan als Vorhaben des „Vordringlichen Bedarfs“ eingestuft.
Gericht sieht gesetzliche Bedarfsfestellung als verbindlich an
Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für das Gericht verbindlich. Die gerichtliche Prüfung ist insoweit auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die angestrebten Planungsziele in einem Maße nicht oder nicht mehr erreicht werden können, dass hieraus eine Verfassungswidrigkeit der Bedarfsfeststellung folgt.
Aber: Fehlerhafte Berechnung des Stickstoffeintrags
Fehler sind dem Vorhabenträger und der Planfeststellungsbehörde jedoch bei der Prüfung unterlaufen, ob die vorhabenbedingte Zunahme der Stickstoffbelastung, die durch den geplanten Abschnitt der A20 im Bereich der A28 zu erwarten ist, die Schwelle von 0,3 kg pro Hektar und Jahr überschreitet und so zu einer Beeinträchtigung des Schutzgebiets „Garnholt“ führt.
Schon der zunächst ermittelte Wert von 0,326 kg pro Hektar und Jahr verblieb nur mittels der Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h auf einer der beiden Richtungsfahrbahnen der A 28 sowie aufgrund der fachlich vorgegebenen mathematischen Rundung auf eine Stelle hinter dem Komma unterhalb des genannten Schwellenwertes.
Schwellenwert für Stickstoff deutlich überschritten
Nachdem im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ein Eingabefehler festgestellt und korrigiert worden war, stieg dieser Wert auf 0,346 kg pro Hektar und Jahr an. Auch diese Neu-Berechnung ist aber nach Auffassung des Senats jedenfalls insoweit fehlerhaft, als sie die Verringerung von Stickstoffeinträgen durch den geplanten Wegfall eines Rastplatzes der A 28 in Höhe des Schutzgebietes überschätzt.
Beeinträchtigung des Gebietes kann daher nicht ausgeschlossen werden
Da bereits ein Anstieg um lediglich 4 g pro Hektar und Jahr zu einem Überschreiten des Schwellenwertes führt, kann eine Beeinträchtigung des Gebietes daher nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Auf weitere Kritikpunkte, etwa die Frage der korrekten Depositionsgeschwindigkeit, kommt es angesichts dessen nicht mehr entscheidungserheblich an.
Weitere Einwände blieben ohne Erfolg
Weitergehende Einwände des klagenden Umweltverbandes hatten hingegen keinen Erfolg. Sie genügen teilweise bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Klagebegründung. Darüber hinaus begegnet die Durchführung artenschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen mittels einer landschaftlichen Umgestaltung des ehemaligen Standortübungsplatzes Friedrichsfeld keinen Bedenken.
Zwar handelt es sich hierbei unstreitig um eine ökologisch hochwertige Fläche; sie weist aber nach der Maßnahme die für eine Inanspruchnahme solcher Flächen erforderliche Verbesserung auf. Für die betroffenen Vogelarten ist auch der räumlich-funktionale Zusammenhang gewahrt.
Klimaschutzgesetz: Damals noch nicht in Kraft – daher keine Berücksichtigung
Das Klimaschutzgesetz war im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in Kraft getreten und musste daher nicht berücksichtigt werden. Auf den späteren Erlass des Änderungs- und Ergänzungsbeschlusses kommt es nicht an, da dieser im Wesentlichen die Straßenentwässerung betrifft. Bei einer solchen partiellen Änderung bleibt der Zeitpunkt der ursprünglichen Planfeststellung weiterhin maßgeblich.
Dies entspricht der langjährigen Rechtsprechung der Planungssenate des Bundesverwaltungsgerichts. Dafür, dass sich wegen der besonderen Bedeutung und der Dringlichkeit des Klimaschutzes ausnahmsweise etwas anderes ergibt, fehlt es an Anhaltspunkten.
Art. 20a GG, der den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet, enthält nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber. Vorgaben für einzelne Planfeststellungsverfahren lassen sich daraus ebenso wenig herleiten wie aus dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, welches die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, zur Begrenzung der globalen Klimaerwärmung beizutragen.
Klage des betroffenen Landwirts zurückgewiesen – Ersatzflächen wurden zugesagt
Die weitere Klage eines enteignungsbetroffenen Landwirts hat das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Zwar geht der Planfeststellungsbeschluss zu Unrecht davon aus, die Übereignung oder langfristige Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen, die vom Kläger bereits auf der Grundlage kurzfristiger Pachtverträge bewirtschaftet werden, könne als Ausgleich von Flächenverlusten angerechnet werden. Jedoch hat der Beklagte dem Kläger während des gerichtlichen Verfahrens weitere Flächen verbindlich zugesagt. Eine Existenzgefährdung wird hierdurch ausgeschlossen.
BVerwG 9 A 1.21 – Urteil vom 07. Juli 2022
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