Ernst Ulrich von Weizsäcker und Andrea Schröder-Ehlers im Gespräch am 23. August 2022, Lüneburg. Foto: Klimaentscheid.

Gespräch mit Ernst Ulrich von Weizsäcker am 23. August 2022 weckt Kritik bei Klimaentscheid Lüneburg

In seinem Buch “So reicht das nicht” fordert Ernst Ulrich von Weizsäcker tiefgreifende Veränderungen angesichts der Klimakrise. Im Gespräch mit SPD-Landtagskandidatin Andrea Schroeder-Ehlers am 23. August 2022 warb der Wissenschaftler eher um Verständnis für die von den Wählerstimmen abhängige Politik – und weckte deutliche Kritik beim Klimaentscheid Lüneburg.


Mitteilung von: Klimaentscheid Lüneburg
Am: 25.08.2022
Foto: Klimaentscheid Lüneburg. 


Weizsäcker: “So reicht das nicht” – Tiefgreifende Änderungen nötig für eine erträgliche Zukunft auf unserem Planeten

Foto: Klimaentscheid Lüneburg. Ernst Ulrich von Weizsäcker im Gespräch mit Andrea Schroeder-Ehlers am 23. August 2022 in der Lüner Mühle, Lüneburg.

Was ist zu tun, wenn das Klima gefährdet ist – und wie kann Energie wieder bezahlbar werden? Zu dem von der SPD organisierten und von Andrea Schroeder-Ehlers moderierten Gespräch mit Autor Ernst Ulrich von Weizsäcker am 23. August 2022 in der Lüner Mühle waren etwa 70 Gäste gekommen. Darunter SPD-Politiker:innen und SPD–Mitglieder, Mitglieder der Grünen und Interessierte von den Initiativen Radentscheid Lüneburg und Klimaentscheid Lüneburg.

Grundproblem: “Wer sich für guten Klimaschutz einsetzt, verliert Stimmen”

Ernst Ulrich von Weizsäcker wirkt gespalten: Als ehemaliger Ko-Präsident des Club of Rome setzt er sich seit Jahrzehnten für mehr Klimaschutz ein und hat mehrere Bücher zur Klimakrise verfasst. Als SPD-Politiker hingegen wirft er offenbar seine Ideale über Bord.

„Eine Partei, die sich für guten Klimaschutz einsetzt, verliert Stimmen“, antwortet er auf die Frage eines SPD-Mitglieds danach, „wie wir es in Deutschland mit dem Klimaschutz auf die Reihe bekommen“.

Merkposten: Energiepreise sollten der “ökologischen Wahrheit” entsprechen

Zunächst trug von Weizsäcker seine Vorschläge vor. Energie sei in den vergangenen Jahrzehnten immer billiger geworden. Das habe dazu geführt, dass sehr viel Energie verschwendet wird. Gleichzeitig sei der hohe (fossile) Energieverbrauch verantwortlich für den Klimawandel und die dadurch verursachten Schäden.

Er plädiere schon seit langem dafür, dass Energiepreise der „ökologischen Wahrheit“ entsprechen sollten. Die vom Energieverbrauch verursachten Naturschäden müssten eingepreist werden.

Anreize für bessere Energieeffizienz nötig

Von großem Interesse für ihn ist Energieeffizienz. Er nennt zwei Beispiele: den Bau von Passivhäusern, die fast keine Heizkosten verursachen, und den Einsatz von LED-Lampen, die kaum Energie verbrauchen. Aber: Weil die Beleuchtung wenig kostet, wird sie sehr viel häufiger eingesetzt. Dadurch schwindet der Effizienzvorteil – der genannte Rebound-Effekt tritt ein.

Energieeffizienz werde also “nicht nur durch Technologien, sondern auch durch die Art der Nutzung“ beeinflusst. Es seien mehr Anreize für eine wesentlich bessere Energieeffizienz notwendig. “Billig ist gefährlich“, weil es dazu führt, dass Ressourcen verschwendet werden.

Klima-Außenpolitik: Versprochene Summen an Entwicklungsländer zahlen

In seinem aktuellen Buch „So reicht das nicht“ (Spektrum.de: Rezension – mehr) geht es um „Kausalketten für eine gute Klimapolitik“. Weizsäcker spricht sich darin für eine andere Klima-Außenpolitik aus. Die Industrieländer müssten dafür sorgen, dass alle Länder mitziehen. Dazu müssten die bei Klimakonferenzen versprochenen 100 Milliarden Dollar jährlich an Entwicklungsländer gezahlt werden.

Auf erneuerbare Energien setzen

„Die Industrieländer haben ihr CO2-Restbudget fast aufgebraucht. Viele andere Länder, insbesondere Entwicklungsländer, haben das ihnen zugerechnete CO2-Restbudget noch nicht verbraucht“, argumentiert Weizsäcker. „Wir müssen uns nicht nur um unseren Anteil an den CO2-Emissionen kümmern, sondern auch andere Länder dazu bewegen“.

Weizsäcker ist optimistisch „Fotovoltaik-Strom ist heute billiger als Kohlestrom, d.h. wir können das stemmen“. Auch andere Länder sollten auf erneuerbare Energien setzen statt auf Atomenergie.

“Tiefgreifende Änderungen” nötig für eine erträgliche Zukunft auf der Erde!

Weizsäcker schließt seinen Vortrag mit Forderungen nach einer neuen Ökonomie und einer neuen Aufklärung. In seinem Buch formuliert er es so: „Realistisch muss angenommen werden, dass nur sehr tiefgreifende Änderungen in der Ökonomie, ja sogar in der menschlichen Zivilisation dazu führen können, eine einigermaßen erträgliche Zukunft für unseren Planeten durchzusetzen.“

Im Anschluss: Diskussion mit Blick auf Niedersachsen

Im anschließenden Diskussionsteil gab es konkrete Fragen, was wir in Niedersachsen für mehr Klimaschutz tun können. Ein Hindernis sei die Sorge der Parteien, Stimmen zu verlieren, so Weizsäcker: „Viele Menschen wollen das [den Klimaschutz] nicht. Daher sind überzeugende Abgeordnete wichtig“. Auch die Industrie sei gefordert.

Genehmigung von Solaranlagen auf Freiflächen ausgebremst?

Dirk Jensen aus Bleckede wollte wissen, „warum der Kreistag die Genehmigung von Solaranlagen auf Freiflächen ausbremst“. Schroeder-Ehlers, selbst im Kreistag vertreten, verwies in ihrer Antwort auf ein derzeit erstelltes Landesgesetz mit neuen Leitlinien für den Bau solcher Anlagen.

Weizsäcker merkte an, dass Solaranlagen auf Freiflächen nicht mit landwirtschaftlicher Nutzung konkurrieren müssten. Oft könne beides verbunden werden, indem unterhalb von hochgestellten Solaranlagen landwirtschaftliche Produkte angebaut werden.

Mehr Einsatz der Politik für Radverkehr und öffentlichen Verkehr

Markus Zender vom Radentscheid forderte eine Wende in der Verkehrspolitik: “Die Politik muss mutiger werden, auch gegen Widerstände, und mehr für den Radverkehr und den ÖPNV tun“. Weizsäcker antwortete erneut als Politiker statt als Klimaschützer: „Demokratie zeichnet sich nicht durch Bevorzugung von ÖPNV aus“.

Klimaentscheid Lüneburg: Mehr Mut und Entscheidungskraft

Forderung nach gerechter Mobilität

In einer Stellungnahme zeigte sich der Klimaentscheid Lüneburg deutlich kritisch und fordert mutigeres und zielgerichtetes Handeln von der Politik. Sprecherin Kristin Jordan stellt fest: „Die SPD setzt sich für soziale Gerechtigkeit ein – dazu gehört auch gerechte Mobilität. Millionen Menschen in Deutschland können oder wollen nicht Auto fahren. Daher müssen Privilegien für Autofahrende zurückgenommen werden, zugunsten von klimafreundlicher und gerechter Verkehrsinfrastruktur und besserem ÖPNV“.

Angesichts der aktuellen Energieprobleme sei nicht nachvollziehbar, warum sich weiterhin tonnenschwere Autos in Städten stauen. Stattdessen sollten energiearme Verkehrsmittel zur Energieeinsparung beitragen. „Hierfür sind auch weitere Anreize seitens der Lokalpolitik nötig, beispielsweise regelmäßig autofreie Sonntage. Die damit verbundene bessere Lebensqualität in der Stadt wird dann für viele Menschen direkt spürbar und erfahrbar“, so Kristin Jordan.

… und Hinweis auf die Chancen für Deutschland

Karla Bauszus, ebenfalls Klimaentscheid, vermisst einen weiteren Aspekt: „Die nötigen Veränderungen bergen doch auch große Chancen für Deutschland. Unsere Wirtschaft kann führend werden bei klimafreundlichen Zukunftstechnologien, hunderttausende neue Arbeitsplätze können entstehen.“

Eine umweltverträgliche Landwirtschaft zum Beispiel würde nicht nur dem Wohl von Mensch, Tier, Natur und Klima dienen, sondern könnte auch Vorbild für andere Länder sein. „Die Politik sollte die positiven Seiten der Veränderungen mehr herausstellen. Wir brauchen gemeinsame Narrative, also ein Zukunftsbild von einem klimaneutralen Lüneburg und Deutschland“, wünscht sich Bauszus.

Mehr Information und Kontakt: Klimaentscheid Lüneburg


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