Haltestellenübersicht am ZOB/Bahnhof Lüneburg. Foto: Lüne-Blog.

Gewerkschaft ver.di: Sorge über geplante Ausschreibung des Busverkehrs im Landkreis Lüneburg

Ab Januar 2026 will die Verkehrsgesellschaft MOIN den Busverkehr im Landkreis Lüneburg übernehmen. Dieser Zeitplan ist sehr ambitioniert und darf nicht auf Kosten von Fahrgästen und Beschäftigten gehen, fordert die Gewerkschaft ver.di. Auch beim Einsatz von Subunternehmen sollen gleiche Arbeitsbedingungen und gleiche Entlohnung gelten.


Mitteilung von: ver.di Bezirk Hannover-Heide-Weser Am: 25.06.2024
Online:  https://hannover-heide-weser.verdi.de/vor-ort/ortsverein-lueneburg – Foto: Lüne-Blog


Gewerkschaft ver.di: Sorge über geplante Ausschreibung des Busverkehrs im Landkreis Lüneburg

Die vom Landkreis Lüneburg gegründete Verkehrsgesellschaft MOIN soll ab Januar 2026 den Busverkehr in Lüneburg und dem Landkreis übernehmen. „Wir haben die Sorge, dass der ambitionierte Zeitplan nicht zu halten ist. Eine Ausschreibung darf nicht zu Lasten der Qualität des ÖPNV gehen. Die Bürger und Bürgerinnen in Lüneburg haben ein Recht auf einen zuverlässigen und sicheren ÖPNV“, erklärt Heiko Groppe, Gewerkschaftssekretär des ver.di-Bezirksverbands Hannover-Heide-Weser.

„Wir betrachten kritisch, dass das Verkehrsnetz in Lüneburg auf bis zu fünf Verkehrsunternehmen aufgeteilt werden soll“, so Groppe. Die Gewerkschaft fordert, dass bei der Vergabe nur ein Tarifvertrag, der Tarifvertrag Nahverkehr Niedersachsen, zur Anwendung kommt und alle Beschäftigen die gleichen Arbeitsbedingungen haben. In einem offenen Brief an die Fraktionen im Kreistag und die Presse nimmt sie zu den Plänen Stellung.

Gewerkschaft ver.di: Offener Brief zur Vergabe des Busverkehrs im Landkreis Lüneburg

25.06.2024

Sehr geehrte Fraktionen im Kreistag Lüneburg, sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Schreiben möchten wir, die Gewerkschaft ver.di, unsere tiefste Besorgnis über die geplanten Ausschreibungen des Linienverkehrs im Landkreis Lüneburg zum Ausdruck bringen. Wir appellieren an Sie, die Belange der Beschäftigten und die langfristige Sicherstellung eines qualitativ hochwertigen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ernsthaft zu berücksichtigen.

Die geplanten Ausschreibungen des Linienverkehrs durch die Verkehrsgesellschaft MOIN drohen, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im ÖPNV erheblich zu verschlechtern. Erfahrungen aus anderen Regionen zeigen, dass Ausschreibungen oft zu einem ruinösen Wettbewerb führen, bei dem der Preisdruck auf dem Rücken der Arbeitnehmer*innen ausgetragen wird. Dies bedeuteten Lohnkürzungen, schlechtere Arbeitsbedingungen und eine Abnahme der sozialen Absicherung. Ein solcher Abwärtstrend darf im Landkreis Lüneburg nicht zugelassen werden. Wir fordern Sie daher dringend auf:

1. Tarifbindung sicherstellen: Bei allen Ausschreibungen muss garantiert werden, dass die zukünftigen Betreiber tarifgebunden sind und die aktuellen Tarifverträge einhalten. Nur so können faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen gesichert werden.

a) Eine Vergabe an mehrere Unternehmen kann dazu führen, auch unter Anwendung des NTVergG, dass es zu bis zu fünf(1) unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Anwendung tarifrechtlicher Normen kommen kann. Hier sehen wir nicht nur Befürchtungen hinsichtlich Buspersonal zweiter oder dritter Klasse, sondern auch eine drohende Unruhe bei den Beschäftigten.

b) Für die Vergabe des ÖPNV-Verkehres sollte ein einziger Tarifvertrag als Mindestanforderung ausgeschrieben werden. Wir fordern ausdrücklich gleiches Geld für gleiche Arbeit!

c) Es ist neben den Mindestanforderungen aus dem NTVergG zusätzlich möglich, weitere Anforderungen an die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an die bewerbenden Anbieter bei der Ausschreibung zu stellen. Es handelt sich bei den Vorgaben des NTVergG ausdrücklich nach § 5 um eine Mindestbedingung. Es ist weder in der Region noch im Land Niedersachsen branchenüblich, allein diese Mindestbedingung zu erfüllen und weitere Sozialstandards unberücksichtigt zu lassen. Insbesondere beim derzeitigen Arbeitsmarkt, auch mit Blick auf Hamburg und die Metropolregion Hamburg, erweisen sich gute tarifierte Arbeitsbedingungen als ein wesentlicher Garant, ein zuverlässiges ÖPNV-Angebot zu gewährleisten.

d) Vergleichbare Landkreise im Niedersachsen schreiben ihre Verkehrsleistungen mit dem Tarifniveau TV-N Nds. aus. Hier unter anderem zu nennen sind die Landkreise Celle und Lüchow-Dannenberg, jedoch auch Stadtverkehre wie in Hildesheim. Gleichzeitig sind diverse Landkreise in dieser Planung. Lüneburg sollte hier als Vorreiter der Region gelten.

2. Sozialkriterien berücksichtigen: Neben wirtschaftlichen Aspekten müssen auch soziale Kriterien eine zentrale Rolle bei der Vergabe spielen. Dazu gehören insbesondere die Arbeitsplatzsicherheit, die Übernahme der bestehenden Belegschaft und die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards.

a) Insgesamt ist es – sozialpolitisch, aber auch verkehrspolitisch – wichtig, sicherzustellen, dass die Menschen, die in der Personenbeförderungsbranche tätig sind, gerecht und angemessen entlohnt werden und unter guten Arbeitsbedingungen arbeiten können. Ein Tarifvertrag, zum Beispiel jener des Spartentarifvertrages Nahverkehr Niedersachsen (TV-N Nds.), kann dabei als Orientierungspunkt dienen, um diesen Zielen näher zu kommen und die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen zu schützen sowie für Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV in der Region einen zuverlässigen ÖPNV zu gewährleisten.

b) Es gilt bei der Auswahl der Bewerbenden zu berücksichtigen, dass diese auch qualitativ Arbeits- und Sozialstandards einhalten, die außerhalb tariflicher Reglungen liegen. Etwaige Situationen wie sie im HVV in Hamburg und Umgebung bei Beauftragung eines aus den Medien bekannten Subunternehmers der Hochbahn AG erfolgen, gilt es ausdrücklich zu vermeiden.

c) Ausdrücklich müssen ausreichend Toiletten für die Beschäftigten zur Verfügung stehen. Gleichzeitig benötigt es einen sicheren und festen Standort für Pausen, das An- und Umkleiden sowie der körperlichen Hygiene und Bedürfnisse.

3. Qualität im ÖPNV erhalten: Eine Ausschreibung darf nicht zu Lasten der Qualität des öffentlichen Nahverkehrs gehen. Die Bürgerinnen im Landkreis Lüneburg haben ein Recht auf einen zuverlässigen, sicheren und gut getakteten ÖPNV. Dies ist nur mit motivierten und gut ausgebildeten Fahrerinnen möglich.

a) In der Diskussion und Planung der Ausschreibung wurde immer wieder deutlich, dass vor allem lokale Busunternehmen von der Ausschreibung und Vergabe profitieren sollen. Mit Blick auf die hiesige Unternehmenslandschaft der Verkehrsunternehmen wird deutlich, dass nur sehr wenige dazu in der Lage sein dürften. Selbst jene, die Leistungen in der zurückliegenden Zeit gestemmt haben, haben mittlerweile Verkehrsleistungen zurückgegeben.

b) Bis zum 1.1.2026 soll durch die MOIN ein neuer Betriebshof und dutzende neue Elektrobusse angeschafft werden. Im Lichte des Marktes, des Vergaberechts nebst Ausschreibung sowie der Verfügbarkeit von Fahrzeugen wird deutlich, dass ein derzeitiger Zeitplan der MOIN kaum zu halten scheint. Selbst etablierte Verkehrsunternehmen im lokalen als auch nationalen Markt halten die Planung für kaum haltbar. Hier besteht die Sorge, dass darunter die Qualität des ÖPNV leidet. Bereits im Jahr 2021 haben wir als Organisation einen Zeitplan von fünf Jahren als ambitioniert angesehen.

c) Öffentlich wird immer wieder verdeutlicht, dass sich die Taktung des ÖPNV erhöhen soll. Aus internen Kreisen ist jedoch bekannt, dass dies keineswegs im ersten Jahr der Einführung des neuen Liniennetzes geplant ist. Die Einwohnenden der Hansestadt und des Landkreises Lüneburg erwarten eine deutliche Steigerung der Taktung. Letztlich auch, weil Landtagsabgeordnete und die Geschäftsführung der MOIN sich hier positionieren(2) und dies in der Vergangenheit medial gestreut wurde.(3)

d) Die Verteilung der Verkehrsleistung auf bis zu fünf Unternehmen kann zu erheblichen Steigerungen von Kosten und Aufwand führen. Zusätzlich ergibt sich ein erhöhter Kommunikationsaufwand, um sicherzustellen, dass Anschlussverkehre gewährleistet werden können. Hier zeigt bereits der ÖPNV-Markt, dass solche Aufteilungen der Verkehrsleistungen die Ausnahme sind und sein werden.

4. Transparenz und Mitbestimmung: Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften müssen in den Ausschreibungsprozess transparent und frühzeitig eingebunden werden. Ihre Erfahrungen und Perspektiven sind essenziell für eine erfolgreiche und nachhaltige Gestaltung des ÖPNV.

Die Verkehrsgesellschaft MOIN steht vor großen Herausforderungen und Chancen. Mit einer fairen und zukunftsorientierten Ausschreibung können Sie nicht nur die Qualität des ÖPNV im Landkreis Lüneburg sichern, sondern auch ein Zeichen setzen für gute Arbeit und soziale Verantwortung. Bitte nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst und stellen Sie die Weichen für einen fairen und nachhaltigen öffentlichen Nahverkehr.

Mit freundlichen Grüßen
Heiko Groppe Gewerkschaftssekretär

Dieses Schreiben wurde in Zusammenarbeit mit Beschäftigten aus ÖPNV-Unternehmen erstellt.


1 Bei Anwendung der Loslimitierung und Aufteilung des Netzes auf fünf Lose

2 Beispiel; Beitrag auf Instagram Anna_Bauseneick_MDL vom 16.05.2024

3 Vgl. „MOIN statt KVG in Lüneburg: So kann Busfahren zu einer Alternative auch auf dem Land werden“ (landeszeitung.de), abgerufen am 18.06.2024

Mehr Information und Kontakt

  • ver.di Bezirk Hannover-Heide-Weser: https://hannover-heide-weser.verdi.de/
  • ver.di/Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende: Daseinsvorsorge durch nachhaltige Verkehrsinfrastruktur – Positionspapier (PDF-Datei)
    Das Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende fordert, keine Haushaltsmittel im Bereich der Daseinsvorsorge oder beim Klimaschutz zu kürzen. Anlass ist der Infrastrukturdialog im Bundesverkehrsministerium und die laufenden Debatte zum Bundeshaushalt. „Die sozial-ökologische Transformation der Verkehrsinfrastruktur muss politisch priorisiert werden“, so die Forderung. Dem Bündnis gehören neben ver.di weitere Gewerkschaften sowie Sozial-, Wohlfahrts- und Umweltverbände und die EKD an.

Landkreis Lüneburg: Pläne für Moin

Auf seiner Internetseite informiert der Landkreis Lüneburg und beschreibt seine Planung:

Verträge mit der KVG gekündigt

„Mit der Gründung einer eigenen Verkehrsmanagementgesellschaft nimmt der Landkreis Lüneburg den Nahverkehr künftig selbst in die Hand. Die wegweisenden Beschlüsse dafür fasste der Kreistag auf einer Sitzung im April 2023. Gemeinsam mit externen Beratern haben Landkreis und MOIN einen Meilenstein-Plan aufgestellt, der jetzt umgesetzt wird. Schritt für Schritt soll so der regionale Nahverkehr bis 2026 auf eine neue Grundlage gestellt werden. Bis dahin laufen Verträge mit der KVG, die der Landkreis inzwischen gekündigt hat. Dem Aufsichtsrat der GmbH gehören sechs Mitglieder an. Geschäftsführer ist seit 1. Juli 2023 der Verkehrsingenieur Nikolas Wenzel.“

Übernahme des Busverkehrs mit Subunternehmen

„Derzeit überprüfen wir das aktuelle ÖPNV-Angebot im Landkreis Lüneburg. Unser Ziel ist ein deutlicher Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger unserer Region. Wir nehmen die Taktung der einzelnen Busverbindungen unter die Lupe und prüfen, wie eine Alternative zum Autoverkehr attraktiv gefördert werden kann. Ab Januar 2026 planen wir mithilfe von Subunternehmerverträgen den öffentlichen Busverkehr zu übernehmen. Dazu gehört auch die Planung und später eine eigene Leitstelle für Busse und Rufbusse.“

„Aktuell ist die MOIN auf der Suche nach einem Grundstück für einen Betriebshof und kümmert sich um den Bau einer klimaneutralen Elbfähre.“

Mehr bei Lüne-Blog

  • Landkreis Lüneburg: Fast 8 Millionen Euro Fördermittel für 20 Elektrobusse – 22.03.2024
    Acht elektrisch betriebene Gelenkbusse und zwölf Solobusse sollen künftig zum Beispiel auf einer „grüne Modelllinie“ zwischen der Leuphana Universität und Kaltenmoor und im Landkreis unterwegs sein. Dafür gehen 7,8 Millionen aus dem Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung an den Landkreis Lüneburg. Planungen für einen Betriebshof und die nötige Ladeinfrastruktur haben begonnen. Thema ist das am Montag, 25. März 2024, im Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung der Hansestadt Lüneburg.
  • Nikolas Wenzel neuer Geschäftsführer für MOIN – 31.07.2023
    Nikolas Wenzel startete als neuer und erster hauptamtlicher Geschäftsführer der MOIN GmbH – der Mobilitäts- und Infrastrukturgesellschaft des Landkreises Lüneburg. Politik und Verwaltung wollen den Nahverkehr im gesamten Kreisgebiet völlig neu aufstellen. Aufgebaut durch den ehemaligen Ersten Kreisrat Jürgen Krumböhmer, kümmert sich die MOIN GmbH neben dem Aufbau einer kreiseigenen Busgesellschaft um die Beschaffung einer neuen Elbfähre mit klimaneutralem Antrieb für den Landkreis.
  • Lüneburg: Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung tagt am 25. März 2024 – 18.03.2024
    Unter anderem ein geplanter Betriebshof für Elektrobusse der MOIN GmbH ist Thema im Ausschuss für Bauen und Stadtentwicklung der Hansestadt am 25. März 2024.

Lünepedia: MOIN

Die MOIN, Mobiltätsinfrastruktur und -betriebs GmbH Landkreis Lüneburg oder MOIN – Gesellschaft für Mobilitätsinfrastruktur ist eine eigene Verkehrsmanagementgesellschaft des Landkreises Lüneburg. Ihre Einrichtung wurde am 27.07.2022 beschlossen. Sie soll zukünftig den Nahverkehr im Landkreis Lüneburg organisieren. Dem Aufsichtsrat der GmbH gehören sechs Mitglieder an. Geschäftsführer ist seit 1. Juli 2023 der Verkehrsingenieur Nikolas Wenzel.

Weiterlesen: https://www.luenepedia.de/wiki/MOIN

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