Landrätin Dagmar Schulz mit Prof. Wolfgang Lucht bei der Suffizienzveranstaltung am 5. September 2025 in Lüchow. Foto: Jenny Raeder.

Lüchow-Dannenberg: „Suffizienz als Strategie des Genug“ – Weiterentwicklung zur ökologischen Demokratie

„Wir müssen uns hin zu einer ökologischen Demokratie entwickeln, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ebenso ins Zentrum stellt wie die soziale Gerechtigkeit“, so Prof. Wolfgang Lucht in Lüchow. Der Klimaforscher ist Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen. Er sprach im Rahmen einer größeren Veranstaltung des Landkreises Lüchow-Dannenberg zum Thema Suffizienz.


Mitteilung von: Landkreis Lüchow-Dannenberg – Am: 11.09.2025
Online: https://www.luechow-dannenberg.de/ – Foto: Jenny Raeder.


Rückenstärkung für die Praxis: Suffizienz-Experte Prof. Wolfgang Lucht will Mut machen

Landrätin Dagmar Schulz mit Prof. Wolfgang Lucht bei der Suffizienzveranstaltung am 5. September 2025 in Lüchow. Foto: Jenny Raeder.

Auf Einladung des Landkreises Lüchow-Dannenberg hielt Prof. Wolfgang Lucht, renommierter Klimaforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgen-Forschung, am 5. September 2025 in Lüchow einen eindringlichen Vortrag über die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Es brauche weit mehr als technologische Lösungen, um die ökologischen Krisen unserer Zeit zu bewältigen, machte er vor rund 300 Gästen deutlich.

Nachhaltigkeitsstrategie: Nur bei 6 von 23 Indikatoren auf Kurs

„In unserer Industrie- und Konsumgesellschaft leben wir über unsere Verhältnisse, wir treiben Raubbau an unseren Ressourcen.“ Klimakrise, Artensterben und Ressourcenknappheit seien keine abstrakten Szenarien, sondern längst Realität. „Wir sprechen viel von toten Dingen: vom Eis, von der Temperatur, vom Meeresspiegel“, führte Lucht aus. „Dabei ist die Erde ein lebender Planet, wir zerstören unser eigenes Habitat.“

Mit Blick auf die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie bilanzierte er: „Wir haben ein echtes Problem.“ Bei 17 von 23 Indikatoren sei Deutschland nicht auf Kurs, um die vereinbarten Ziele bis 2030 zu erreichen.

Ressourcen ungleich verteilt

Es gehe auch um Verteilungsfragen, so Lucht. Alle internationalen Konferenzen scheiterten aktuell daran. Die Ressourcen seien ungleich verteilt, der Großteil gehe an die Industrieländer, gleichzeitig sei Afrika überproportional stark von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Dieses „Programm des Westens“, das „Leben auf Kosten anderer“, verstoße gegen demokratische Grundwerte – und gegen die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, in der es wörtlich heißt: „… die planetaren Grenzen unserer Erde zusammen mit der Orientierung an einem Leben in Würde für alle … bilden die absoluten Leitplanken für politische Entscheidungen.“

Wachstum keine Lösung für Klimakrise – Suffizienz muss dazu kommen

Selbst in progressiven Kreisen werde weiterhin oft argumentiert, so Lucht, das Armutsproblem sei mit Wachstum zu bekämpfen und Wachstum zusammen mit grünen Technologien bedeute Nachhaltigkeit. Aber Wachstum benötige immer Energie und Material, eine Entkopplung sei nicht möglich. Kreislaufwirtschaft sei wichtig, reiche allein aber nicht aus. Verhaltensänderungen im Sinne der Suffizienz müssten dazu kommen.

Weiterentwicklung zu einer ökologischen Demokratie nötig

Eindringlich sprach Lucht über die notwendige Weiterentwicklung der Demokratie. Der bisherige liberale Sozialstaat habe wertvolle Errungenschaften geschaffen, stoße jedoch angesichts der ökologischen Krisen an seine Grenzen. „Wir müssen uns hin zu einer ökologischen Demokratie entwickeln, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ebenso ins Zentrum stellt wie die soziale Gerechtigkeit“, forderte er. Hier gehe es um das Selbstverständnis westlicher Demokratien und letztlich um einen gesamtgesellschaftlichen Lernprozess.

„Suffizienz als Strategie des Genug“

Auf Nachfrage aus der Zuhörerschaft, ob er wirklich glaube, dass ein Umlenken noch möglich sei, betonte Lucht: „Der Druck muss von der Zivilgesellschaft kommen.“ Damit traf er bei vielen der Anwesenden merklich einen Nerv. Sein zentrales Anliegen sei, „denen, die sich engagieren, Mut zu machen und ihnen den Rücken zu stärken.“ Dazu diene auch das Diskussionspapier „Suffizienz als Strategie des Genug“, das Lucht als Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung mit verfasst hat.

Dagmar Schulz: Suffizienz als Querschnittsthema im Zukunftskonzept für den Kreis

Landrätin Dagmar Schulz wertet die Veranstaltung als wichtigen Impuls, um den Diskurs über Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit in der Region weiter voranzubringen. „Es braucht neue Strategien und einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt“, so Schulz. Tatsächlich ist Suffizienz eines der vier Querschnittsthemen des Zukunftsentwicklungskonzepts, das in der Kreisverwaltung derzeit erarbeitet wird. „Das Zukunftsentwicklungskonzept wird uns als strategische Leitlinie dienen, um die Region vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungsprozesse zukunftsfähig aufzustellen.“

Markt der Möglichkeiten und Diskussion

Im Vorfeld des Vortrags hatten sich bei einem Markt der Möglichkeiten zahlreiche regionale Initiativen vorgestellt. Bei einem Podium wurde aus der Praxis berichtet, darunter von Solawi Güstritz, die Wachstumswende Wendland, AllerRad Lüchow, Freier Fluss / Verbund der Mitgliederläden, WoGe Wendland und die Online-Plattform Wendlandfreun.de.

Hintergrund: Professor Wolfgang Lucht

Professor Wolfgang Lucht ist Professor für Nachhaltigkeitswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin und Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Er arbeitete an Berichten des UN-Weltklimarats mit und ist seit 2016 Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung. In diesem Gremium hat er maßgeblich das Diskussionspapier zu Suffizienz als „Strategie des Genug – Eine Einladung zur Diskussion“ mit verfasst.

Mehr Information

Mitwirkende und Gäste beim Markt der Möglichkeiten am 5. September 2025 in Lüchow. Foto: Jenny Raeder.

Mitwirkende und Gäste beim Markt der Möglichkeiten am 5. September 2025 in Lüchow. Foto: Jenny Raeder.

Wikipedia: Suffizienz (Politik)

Der Begriff der Suffizienz steht in der Nachhaltigkeitsforschung, Umwelt- und Naturschutzpolitik für das Bemühen um einen möglichst nachhaltigkeitskonformen und umweltverträglichen Rohstoff- und Energieverbrauch. Eine der Schlüsselfragen, die bei der Realisierung des Konzepts der Suffizienz maßgeblich behilflich sein kann, ist die Frage „Was brauche ich wirklich?“. Im Endeffekt läuft das Konzept der Suffizienz auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen hinaus.

Weiterlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Suffizienz_(Politik)

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