Lüneburg: Bis 2030 klimaneutral! – Interview mit Klimaforscherin Prof. Daniela Jacob
Nach einem erfolgreichen Bürgerbegehren hat der Rat der Stadt Lüneburg im Dezember 2021 beschlossen, dass Lüneburg bis 2030 klimaneutral werden soll. Wie geht es jetzt weiter? Welche Entscheidungen und Maßnahmen anstehen, erklärt die Klimawissenschaftlerin Daniela Jacobs im Interview mit der Pressesprecherin des Klimaentscheid.
Mitteilung von: Klimaentscheid Lüneburg – Am: 09.02.2022
Online: klimaentscheid-lueneburg.de
Lüneburg: Bis 2030 klimaneutral – Klimaforscherin Prof. Dr. Daniela Jacob erläutert nötige Schritte
Lüneburg will bis 2030 klimaneutral werden. Der Klimaentscheid Lüneburg hatte dafür im letzten Jahr ein erfolgreiches Bürgerbegehren organisiert. Was es bedeutet, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen und welche Schritte dafür nun nötig sind – dazu hat Anja Van Bocxlaer, Pressesprecherin des Klimaentscheids, ein Gespräch mit der Klimaforscherin Prof. Dr. Daniela Jacob geführt.
Entscheidung ein wichtiger erster Schritt
Anja Van Bocxlaer: Der Rat der Stadt Lüneburg hat im Dezember 2021 beschlossen, dass Lüneburg bis 2030 klimaneutral werden soll.
Prof. Dr. Daniela Jacob: Dass der Rat der Stadt Lüneburg das beschlossen hat, ist gut, ein wichtiger Schritt. Die großen Weichen für Klimaneutralität werden auf internationaler Ebene gestellt. Bei der nationalen Umsetzung müssen dann die Bundesländer, die Kommunen und die Städte mitgehen. Wenn Städte sich für Klimaneutralität entscheiden, ist das ein erster Schritt, um einen Rahmen zu setzen.
Die Entscheidung allein reicht natürlich nicht. Der Umbau hin zu einer Energie-einsparenden, CO2-einsparenden Lebensweise muss nun auch lokal umgesetzt werden, durch große Schritte, denn es bleibt nur noch wenig Zeit. Jede Stadt, die in den nächsten Jahren klimaneutral wird, trägt erheblich dazu bei, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Zwischenschritte vereinbaren und mit der Umsetzung beginnen
Van Bocxlaer: Der Klimaschutzplan der Stadt enthält aktuell keine detaillierte Planung. Also keine zeitlichen Fixierungen und keine konkreten CO2-Reduzierungsziele, die aber notwendig sind, um verbindlich zu sein.
Jacob: Jetzt müssen eiligst die Ziele vereinbart werden, mit allen Beteiligten in der Stadt. Also nicht nur das Ziel 2030, sondern die Zwischenschritte, wie man dies erreichen möchte. Wir können jetzt nicht noch 3 Jahre darüber diskutieren, was in Lüneburg getan werden könnte. Wir müssen sofort alles, was möglich ist, wirklich umsetzen.
Wende zu erneuerbaren Energien
Van Bocxlaer: Beginnen wir mit dem Energiebereich – wo sind Energieeinsparungen sofort möglich?
Jacob: Energieeinsparung bzw. Energieeffizienz betrifft alle Lebensbereiche. Wichtig ist, dass wir uns nicht nur an den größten Einsparmöglichkeiten orientieren, und dann sagen „ob ich nun alleine das Auto nehme oder mit dem Fahrrad fahre, spielt keine Rolle“. Jeder kleine Beitrag zählt. Jede eingesparte Tonne CO2 ist nützlich.
Bei Gebäuden sollte man beispielsweise die CO2-Einsparambitionen schon in diesem Jahr deutlich erhöhen. Dazu könnte man schauen, wo die „Low-Hanging Fruits“ sind, also die Dinge, die man am schnellsten umsetzen kann.
Van Bocxlaer: Wie kann die Wende hin zu erneuerbaren Energien in Lüneburg aussehen?
Jacob: Entscheidend ist, dass sich Lüneburg von den fossilen Energien verabschiedet. Lüneburg muss umsteigen und Energie aus erneuerbaren Quellen z. B. über Windkraftanlagen und Solaranlagen beziehen, auch aus dem Umland. Eine Möglichkeit in Lüneburg ist, den Solarenergie-Anteil zu erhöhen, z. B. auf Dächern. Man sollte prüfen, ob es im Umland noch Flächen gibt, die man schnell für Windkraftnutzung bereitstellen kann.
Ein großes Problem gibt es bei der Information über Wärmedämmung und Heizungserneuerungen. Häufig sind es Energieberater, die mit dem Haushalt oder mit dem Unternehmen die richtige Lösung finden sollen. Meine Erfahrung in dieser Region zeigt, dass die Consultants restlos überlastet sind und teilweise nicht über alle Lösungsmöglichkeiten voll informiert sind. Ebenso müssen Genehmigungsverfahren, die derzeit bis zu 2 Jahre dauern, verkürzt werden.
Vegetation und Flächenentsiegelung: Alles tun, was möglich ist
Van Bocxlaer: Welche Bedeutung haben Vegetation und Flächenentsiegelung in Lüneburg?
Jacob: Im Verhältnis zum Umbau der Industrie oder eines gesamten Sektors, z. B. dem Verkehrsbereich, sind solche Maßnahmen eher weniger bedeutend. Aber sie haben mehrere positive Seiten. Wenn sie Vegetation in die Stadt bringen, ist das nicht nur eine Maßnahme zur Anpassung an den Klimawandel, sondern auch eine Maßnahme, die für die Lebensqualität und den Gesundheitsschutz wichtig ist.
Gerade das Entsiegeln von Flächen spielt dabei eine wichtige Rolle. In Lüneburg gibt es viele Flächen, die nicht komplett betoniert sein sollten und die man vielleicht auch alternativ nutzbar machen könnte. Ich persönlich denke, es ist ganz wichtig, dass man alles tut, was man tun kann. Egal ob es eine kleine Auswirkung hat oder eine große. Wir müssen so viel wie möglich an CO2 einsparen, wie wir können, um das Gesamtbudget in der Atmosphäre nicht weiter zu erhöhen.
Aufzeigen: Veränderung bringt positive Auswirkungen und Chancen!
Van Bocxlaer: Sind die BürgerInnen schon gut genug informiert über das, was auf uns in den nächsten Jahren zukommen wird?
Jacob: Ich glaube nicht, dass man schon alle Bürgerinnen und Bürger erreicht hat. Die Notwendigkeit zur Veränderung kann man mit den Medien, durch die Medienschaffenden, noch besser kommunizieren. Die Kommunikation muss gestärkt werden – in Bürgerdialogen, durch soziale Medien und durch die herkömmlichen Medien.
Diese können dann auch mehr darauf hinwirken, wie innovativ und wie chancenreich dieser Umbau ist. Es geht nicht darum, alles schlechter zu machen, sondern es geht darum, das Leben besser und erträglicher zu machen. Man kann viele neue Arbeitsplätze in Lüneburg schaffen, das birgt Chancen. Diese Zusammenhänge müssen noch einfacher kommuniziert werden.
Denn das was auf uns zukommt, ist dramatisch, auch in Lüneburg – mit Starkregen, mit Hitzeperioden, mit Stürmen und weiteren Auswirkungen. Bereits jetzt sehen wir diese Auswirkungen wie z. B. auch auf unsere Lieferketten. Mit Corona erleben wir, wie anfällig die Lieferketten auf Störungen sind. Aber die gute Nachricht ist, wir können etwas dagegen tun und uns gleichzeitig auch besser anpassen. Lüneburg ist dabei nicht isoliert und wir müssen entsprechend das Umland mit einbeziehen.
Klimaschutzleitstelle: Bei der Oberbürgermeisterin ansiedeln
Van Bocxlaer: Es gibt die Klimaschutzleitstelle in Lüneburg. Was sind hier die ersten Schritte, die jetzt kommen müssen, damit sich möglichst schnell etwas verändert?
Jacob: Die Klimaschutzleitstelle braucht noch personelle Unterstützung, und sie braucht die Möglichkeit, Pläne so weit vorzubereiten, dass sofort darüber entschieden werden kann – d. h. dass das, was sie plant, dann nicht in den politischen Prozessen lange verzögert wird. Die Klimaschutzleitstelle braucht etwas mehr Entscheidungsbefugnis und sie sollte direkt in der obersten Ebene, bei der Oberbürgermeisterin, angesiedelt sein.
Appell: Gemeinsam an einem Strang ziehen
Van Bocxlaer: Wie lautet ihr abschließender Appell in Richtung BürgerInnen, Politik und Verwaltung der Stadt Lüneburg?
Jacob: Die Entscheidung, dass Lüneburg klimaneutral werden will, muss sehr gut bis hin zu jeder Bürgerin und jedem Bürger kommuniziert werden. Vielleicht braucht die Stadt so etwas wie einen Klimabeirat. Alle müssen sich eingebunden fühlen in die notwendigen Aktionen, um das Ziel gemeinsam zu erreichen.
Wir als GERICS sind gerne bereit, Hilfestellung zu leisten. Lüneburg braucht viel Engagement und den Mut, Dinge auszuprobieren. Wir sollten besonders die Chancen sehen, wie toll das eigentlich ist, den Umbau mitzugestalten, der uns zu einem lebenswerteren Leben führt – nämlich klimaneutral, nachhaltig, gerechter und trotzdem im Wohlstand.
Zur Person
Daniela Jacob ist Meteorologin, Klimawissenschaftlerin und Direktorin vom GERICS, dem Deutschen Institut für Klimaservices (Climate Service Center Germany). Sie ist zudem Gastprofessorin an der Leuphana Universität Lüneburg. Das GERICS ist ein Institut des Forschungszentrums Hereon (Helmholtz-Zentrum) in Geesthacht. Einer der Forschungsschwerpunkte des GERICS ist, welchen Beitrag Städte leisten können, die Erderwärmung zu begrenzen. Dabei geht es auch um die Frage, was Städte, Kommunen und die Wirtschaft an Hilfestellung brauchen, um die Entscheidungen für mehr Klimaschutz zu treffen.
Klimaentscheid Lüneburg
Mail: kontakt@klimaentscheid-lueneburg.de
Web: klimaentscheid-lueneburg.de
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Information
Die Klimaentscheid-Gruppe hat sich Im Jahr 2020 zusammengefunden, um den dringend notwendigen Klimaschutz stärker in die Lokalpolitik zu tragen. Ziel ist, dass Lüneburg bis spätestens 2030 klimaneutral wird. Die Gruppe wird von der Initiative GermanZero unterstützt, die deutschlandweit zu Klimaentscheiden beiträgt.
Quelle: Lünepedia – mehr
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