Justitia. Foto: Hermann Traub, Pixabay.

Verwaltungsgericht Lüneburg: Klage von Michèl Pauly gegen Wortentzug im Rat erfolgreich

Vor vier Jahren hatte Ratsmitglied Michèl Pauly die AfD im Rat als „rechtsextrem“ bezeichnet. Die Ratsvorsitzende hatte ihm daraufhin – unterstützt vom damaligen Oberbürgermeister und dem Rechtsamtsleiter – das Wort entzogen. Am 29. November 2023 entschied das Verwaltungsgericht Lüneburg: Der Wortentzug war rechtswidrig. Die Geschäftsordnung war nicht beachtet worden.


Mitteilung von: Verwaltungsgericht Lüneburg – Am: 29.11.2023
Online: https://verwaltungsgericht-lueneburg.niedersachsen.de/


Klage eines ehemaligen Ratsmitglieds der Hansestadt Lüneburg erfolgreich – Wortentzug war rechtswidrig

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg hat mit Urteil vom 29. November 2023 (Az. 1 A 30/20) der Klage auf Feststellung, dass ein in der Ratssitzung im Jahr 2019 gegenüber dem Kläger ausgesprochener Wortentzug rechtswidrig war, stattgegeben.

Der Kläger – Michèl Pauly – war damals Mitglied und Vorsitzender der Fraktion der Partei Die Linke im Rat der Hansestadt Lüneburg. Am 29. September 2019 fand eine Sitzung des Rates statt, in der die Beklagte den Ratsvorsitz ausgeübt hat.

Die Kammer erachtete die Feststellungsklage als zulässig. Insbesondere sei ein berechtigtes Interesse des Klägers weiterhin gegeben, auch wenn er nicht mehr Mitglied im Rat der Hansestadt Lüneburg und aus der Fraktion der Partei Die Linke ausgeschieden sei.

Wortentzug verstieß gegen Geschäftsordnung des Rats

Weiter sei die Klage auch begründet. Der Wortentzug habe gegen die Geschäftsordnung des Rates der Hansestadt Lüneburg verstoßen.

Zwar leite nach dem Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (§ 63 Abs. 1 NKomVG) die Vorsitzende die Verhandlungen und sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen. Die Voraussetzungen für den Wortentzug nach der auf der Grundlage des § 69 Satz 2 NKomVG erlassenen Geschäftsordnung des Rates, konkret nach deren § 17 Abs. 2, hätten jedoch nicht vorgelegen.

Formale Vorgaben wurden nicht beachtet

Es habe an den Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssten, gefehlt. Der eindeutige Ruf „zur Ordnung“ unter Nennung des Namens des Klägers sowie dessen nochmalige Verwarnung seien nicht erfolgt.

Auf die weitere, zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die vom Kläger verwandte Formulierung der „rechtsextremen Fraktion“ einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung dargestellt habe, komme es damit nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise an.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht stellen.


Auszug aus der Geschäftsordnung der Hansestadt Lüneburg

Diese Vorgaben sind bei einem Wortentzug zu beachten:

§ 17 Geschäftsordnung des Rates der Hansestadt Lüneburg i.d.F.v. 01.11.2016

[…] (2) 1Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind von der/dem Ratsvorsitzenden sofort zu rügen.
2Verstößt ein Ratsmitglied gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung, so kann die/der Ratsvorsitzende das Ratsmitglied unter Nennung des Namens „zur Ordnung“ rufen.
3Folgt das Ratsmitglied dieser Ermahnung nicht, kann die/der Ratsvorsitzende ihm nach nochmaliger Verwarnung das Wort entziehen.
4Ist einem Ratsmitglied das Wort entzogen, so darf es zu diesem Punkt der Tagesordnung nicht mehr sprechen.

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