Grafik: Innenministerium Niedersachsen: Verfassungsschutzbericht 2023, S. 3.

Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2023: Bedrohung vorrangig durch Rechtsextremismus und Islamismus

Im 75. Jahr unseres Grundgesetzes müssen wir „feststellen, dass unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben von unterschiedlichen Seiten bedroht und angegriffen werden“, so Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens und der Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Dirk Pejril, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2023.


Mitteilung von: Nds. Ministerium für Inneres und Sport – Am: 13.06.2024
Online:  https://www.mi.niedersachsen.de/ – Grafik: Innenministerium Niedersachsen – Bedrohungen von verschiedenen Seiten.


Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 2023: Rechtsextremismus größte Gefahr – hohe Bedrohung durch Islamismus

Grafik: Innenministerium Niedersachsen: Verfassungsschutzbericht 2023, Präsentation S. 3.

Am 13. Juni 2024 stellten Niedersachsens Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und der Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Dirk Pejril, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 vor. Behrens: „Aktuell feiern wir den 75. Jahrestag unseres Grundgesetzes. Zeitgleich müssen wir feststellen, dass unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben von unterschiedlichen Seiten bedroht und angegriffen werden.“

Bericht in der Kurzzusammenfassung:

  •  Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie!
  • AfD in Niedersachsen weitere zwei Jahre zum rechtsextremistischen Verdachtsobjekt bestimmt.
  • Breite Solidarisierung mit der Terrorgruppe HAMAS im gesamten islamistischen Spektrum seit dem Angriff gegen Israel am 07.10.2023.
  • Linksextremismus instrumentalisiert immer mehr gesellschaftlich relevante Themen wie Klimaschutz oder „Wohnraumumgestaltung“ und bezahlbarer Wohnraum für eigene politische Zwecke.
  • Aus Russland gesteuerte Desinformationskampagnen sollen unser demokratisches System destabilisieren.

I. Rechtsextremismus als größte Gefahr für Deutschland

Die vom Rechtsextremismus und seinen Akteurinnen und Akteuren ausgehende Gefahr bleibt weiter hoch. Die Zahl der Rechtsextremisten in Niedersachsen ist von 1.610 auf 1.690 Personen, nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften, leicht gestiegen.

„Die größte Gefahr für unsere Demokratie“, stellt Innenministerin Daniela Behrens fest, sei „nach wie vor der Rechtsextremismus. Insbesondere von der Vermischung mit der Szene der Reichsbürger und der Selbstverwalter geht Gefahr aus.

Auch deswegen muss der Verharmlosung von rechtsextremen Äußerungen entgegengetreten werden. Wir […] müssen einer vermeintlichen gesellschaftlichen Akzeptanz mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates entgegenwirken. Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist hierfür unabdingbar!“

Landesverband der „Alternative für Deutschland“ (AfD) bleibt Verdachtsobjekt

Die Einstufung der AfD zum rechtsextremistischen Verdachtsobjekt in Niedersachsen ist noch einmal um zwei Jahre verlängert worden. Erstmals erfolgte dies im Mai 2022.

Innerhalb der AfD konnten die extremistischen Kräfte in den vergangenen Jahren ihre Machtstellung weiter ausbauen. Bei der AfD Niedersachsen und ihren Untergliederungen kann eine Distanzierung von radikalen oder gar extremistischen Positionen und Akteuren innerhalb der Partei oder in deren Umfeld nicht festgestellt werden.

„Junge Alternative“ (JA) Niedersachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft

Die „Junge Alternative“ (JA) Niedersachsen ist eine eigenständige, dem Bundesverband der „Jungen Alternative für Deutschland“ untergeordnete politische Vereinigung. Sie fungiert als offizielle Jugendorganisation der AfD-Partei. Die JA ist seit September 2018 Beobachtungsobjekt des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, d. h. eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Ideologischer Kern ist ein ethnisch-kultureller Volksbegriff, der im Konflikt mit dem Grundgesetz steht. Minderheiten werden abgewertet, und es wird ihnen grundsätzlich die Gleichwertigkeit abgesprochen.

Behrens: Große Sorge über die Entwicklung der AfD

Innenministerin Daniela Behrens betont: „Die Entwicklung der AfD muss uns mit großer Sorge erfüllen. Dazu trägt insbesondere bei, dass deren Mitglieder auch in Niedersachsen zunehmend öffentlich deutlich wahrnehmbar an einer Spaltung der Gesellschaft arbeiten und gezielt Ressentiments schüren.“

„Diesen völkisch-nationalistischen, fremdenfeindlichen Bestrebungen müssen wir mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates entgegentreten, um unsere Demokratie zu schützen. Dazu gehört die nun verlängerte Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz“, so die Ministerin.

II. Linksextremismus

Die Zahl der Linksextremisten ist von gut 1.200 auf rund 1.250 Personen leicht gestiegen.

Um an das demokratische Spektrum anschlussfähig zu sein, greifen Linksextremisten immer häufiger Themen wie den Klimaschutz auf, die bis weit in die Mitte der Gesellschaft zahlreiche Menschen berühren und zum zivilgesellschaftlichen Engagement herausfordern. Nach dem weitgehenden Ende der Corona-Pandemie stand das Jahr 2023 vor allem im Zeichen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und seinen Folgen.

Verfassungsschutzpräsident Pejril: „Die Militanz einer bereits radikalisierten linksextremistischen Szene bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Dabei zeigte sich, dass die Hemmschwelle von Linksextremisten zur Anwendung von Gewalt – auch gegenüber Menschen – weiterhin niedrig ist.“

III. Islamismus

Nach dem Terrorangriff der HAMAS am 07.10.2023 war im gesamten islamistischen Spektrum eine breite Solidarisierung mit dieser Terrorgruppe wahrzunehmen. Vor allem in den sozialen Medien hat die Verbreitung antisemitischer und antizionistischer Narrative in Quantität und Qualität deutlich zugenommen.

Teils gezielte Falschmeldungen, um Anhänger zu gewinnen

Ministerin Daniela Behrens berichtet von manipulativer Berichterstattung und gezielten Falschmeldungen in arabisch- oder türkischsprachigen Medien oder sozialen Netzwerken: „Dafür sind falsche oder nicht validierte Berichte sowie schreckliche Bilder und Nachrichten verbreitet worden. Es gab eine alleinige Schuldzuweisung an Israel. Auch fand keinerlei Verurteilung des HAMAS-Terrorangriffs statt – im Gegenteil: Teilweise ist dieser sogar glorifiziert worden. Es ist eine Entwicklung, die erschüttert und beschämt.“

Verbot der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft e.V. in Braunschweig

Innenministerin Behrens: „Wir dulden keine Vereine, in denen regelmäßig vermeintlich Ungläubige, Frauen oder Juden sowie unsere Gesellschaftsordnung im Gesamten abgewertet werden und deren Anhänger dazu aufgerufen werden, unsere demokratischen Grundwerte zu bekämpfen. […] Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden beobachten die islamistische Szene weiter sehr genau. Und wenn wir wie im Fall der DMG Braunschweig feststellen, dass die Voraussetzungen vorliegen, dann setzen wir auch Verbote durch.“

Im Jahr 2023 hat sich beim salafistischen Personenpotenzial die rückläufige Tendenz fortgesetzt. Derzeit werden 700 Personen der Szene zugerechnet. Erstmals stellen Salafisten nicht mehr die Mehrheit der islamistischen Szene in Niedersachsen dar.

Bedrohungslage bei der Europameisterschaft 2024

Die Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus war 2023 in Deutschland hoch. Als Anschlagsziele kommen insbesondere symbolträchtige internationale Veranstaltungen mit hohem Medieninteresse wie die Europameisterschaft 2024 in Deutschland in Frage. Die Sicherheitsbehörden sind in diesem Zusammenhang besonders sensibilisiert und beobachten die Lage fortlaufend.

IV. Spionageaktivitäten: Hauptakteure

Hauptakteure der klassischen Spionageaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland sind nach wie vor die Russische Föderation, die Volksrepublik China, der Iran, aber in Teilen auch die Türkei.

Russland: Öffentliche Meinung im Sinne Russlands beeinflussen – Demokratie schwächen

Russland arbeitet daran, die öffentliche Meinung durch Propaganda- und Desinformationskampagnen zu beeinflussen und die eigene Machtposition zu stärken. Staatliche Desinformationskampagnen werden zunehmend mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) umgesetzt, gezielt werden gefälschte Nachrichten, Videos oder Bilder verbreitet. Ziel russischer Desinformationskampagnen ist insgesamt die Destabilisierung von Demokratien.

Niedersachsens Innenministerin: „Putins falsche Botschaften fallen hierzulande teilweise auf fruchtbaren Boden. So verbreiten Angehörige der AfD und der Reichsbürger-Szene diese falschen Narrative hier bei uns weiter und unterstützen dadurch Putins hybriden Krieg.“

China: Neue Seidenstraße – Entwicklungen im Bereich der Informationstechnologie ausspähen

Chinesische Nachrichtendienste wollen vor allem den Machtanspruch der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) aufrechterhalten. Höchste Priorität haben gegenwärtig – neben den Themen um die „Neue Seidenstraße“ – die Entwicklungen im Sektor der Informationstechnologie (Cloud, Internet of Things, Quantentechnologien, Robotik sowie der 5G-Technologie).

Iran: Informationen über Oppositionelle sammeln

Ein Haupt-Aufgabenbereich der iranischen Nachrichtendienste ist die Ausspähung der Oppositionellen-Gemeinde in Deutschland. Die Hinweise erstrecken sich über die Beobachtung irankritischer Demonstrationen bis hin zur konkreten Gefährdung bei Einzelpersonen.

Türkei: Informationen über Oppositionelle sammeln

Aufgabe des türkischen In- und Auslandsnachrichtendienstes MIT ist vor allem, Informationen für die türkische Regierung und ihren Machterhalt zu sammeln. Die türkische Regierung machte die nach dem Prediger Fetullah Gülen benannte „Gülen-Bewegung“ für den Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs im Jahr 2016 verantwortlich.

Um Anhänger in Niedersachsen auf eine mögliche Ansprache durch den MIT vorzubereiten, wurden durch den Verfassungsschutz Sensibilisierungsgespräche mit türkischen Oppositionellen geführt und sachverhaltsaufklärende Maßnahmen durchgeführt.

V. Cyberspionage: 27 Verdachtsfälle – viele von Russland ausgehend

Im vergangenen Jahr hat der Niedersächsische Verfassungsschutz 27 Verdachtsfälle auf Cyberspionage bearbeitet. Zielgerichtete Cyberangriffe sind sehr komplex in Vorbereitung und Durchführung. Es wird versucht, sich möglichst lange unentdeckt in fremden IT-Systemen zu bewegen, um sensible Daten zum Zwecke der Spionage auszuleiten und/oder insbesondere kritische Infrastrukturen zu sabotieren.

Die Herausforderung ist, staatlich gesteuerte Cyberangriffe zu erkennen, diese einem Akteur zuzuordnen und gefährdete Stellen zu sensibilisieren. Zehn der Angriffe, deren Urheberschaft festgestellt werden konnte – und damit die weit überwiegende Anzahl – gingen von Russland aus.

Verfassungsschutzpräsident Pejril: „Bei Cyberangriffen […] sind präventive Maßnahmen das wirksamste Mittel. Darauf fokussieren wir uns im Wirtschaftsschutz bei der Beratung niedersächsischer Unternehmen.“

Verfassungsschutzpräsident Pejril: Aktuell erhebliche Herausforderungen

Verfassungsschutzpräsident Pejril: „Wir sehen uns erheblichen Herausforderungen in der digitalen wie in der realen Welt ausgesetzt. Die klassische Spionage, die man mit dem Ende des Kalten Krieges fast nur noch in Spielfilmen wähnte, erlebt seit Jahren eine gefährliche Renaissance.“

Nds. Ministerium für Inneres und Sport: Mehr Information

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