Lärmschutz Tempo 30. Foto: lobpreis, Pixabay.

Lärmschutz in Winsen/Pattensen: Hannover will Tempo 30 stoppen – Stadt erwägt Klage

Tempo 30 in der Ortsdurchfahrt in Pattensen – das hatte der Winsener Rat auf Grundlage des Lärmaktionsplans beschlossen. Das Verkehrsministerium Niedersachsen wies die Stadt Winsen jetzt an, diese Entscheidung aufzuheben. Wer an einer lauten Straße wohne, müsse mit Verkehrslärm leben. Die Stadt Winsen will gegebenenfalls gerichtliche Schritte veranlassen.


Mitteilung von: Stadt Winsen – Am: 05.01.2023
Online: https://www.winsen.de/portal/meldungen/ministerium-beanstandet-tempo-30-anordnung-in-pattensen-902005515-20260.html


Land Niedersachsen will Tempo 30 in Pattensen stoppen – Winsen erwägt Klage

Eine Ratsentscheidung der Stadt Winsen hatte in der Ortsdurchfahrt Pattensen Tempo 30 veranlasst. Das Verkehrsministerium in Hannover hat die Stadt nun angewiesen, das Tempolimit aufzuheben. Der Winsener Bürgermeister André Wiese hat bereits Kontakt mit einer Fachanwältin aufgenommen.

Verkehrsministerium Hannover ist oberste Fachbehörde

Bereits vor rund 10 Jahren war eine städtische Anordnung von Tempo 30 für die Ortsdurchfahrt von Pattensen am anhaltenden Widerstand der Landesregierung gescheitert.

Als oberste Fachaufsichtsbehörde hat das niedersächsische Verkehrsministerium die neuerliche Maßnahme der Stadt zur Verkehrsbeschränkung jetzt erneut förmlich beanstandet.

Verkehrsministerium: Wer an Hauptstraßen wohnt, muss Lärm ertragen

Im Schreiben des Verkehrsministeriums, das Ende des vergangenen Jahres im Winsener Rathaus eingegangen ist, heißt es: „Verkehrsbeschränkungen aus Lärmschutzgründen sind demnach möglich, aber grundsätzlich gemäß § 45 Abs. 9 Straßenverkehrsordnung nur dort, wo dies aufgrund der besonderen Umstände geboten ist. …

Dabei ist zu berücksichtigen, dass üblicherweise Anliegern klassifizierter Straßen mehr Verkehrslärm zugemutet werden kann als beispielsweise Anliegern von reinen Wohnstraßen.”

Verkehrsministerium: Lärmaktionsplan keine ausreichende Grundlage

“Auf einen von den verkehrsrechtlichen Regelungen abweichenden Lärmaktionsplan kann sich die Stadt somit nicht für die konkrete Anordnung von Verkehrsbeschränkungen berufen. … Aus vorstehenden Gründen entspricht die verkehrsrechtliche Anordnung der Stadt vom 24.06.2022 nicht der geltenden Rechtslage und ich weise die Stadt Winsen (Luhe) hiermit an, diese aufzuheben“, so das Schreiben.

Damit befindet sich die Stadt wiederum in einer Auseinandersetzung mit dem zuständigen Landesministerium über die Rechtmäßigkeit und den Bestand einer Tempo 30-Anordnung für die Ortsdurchfahrt von Pattensen.

Winsener Bürgermeister André Wiese: Lärmaktionsplan rechtlich tragfähig

„Genau das wollten wir mit dem Lärmaktionsplan vermeiden, der aus unserer Sicht eine gute und rechtlich tragfähige Grundlage der angeordneten Verkehrsbeschränkung ist“, erklärt der Winsener Bürgermeister André Wiese. „An dieser Auffassung halten wir fest und werden in den nächsten Wochen und Monaten alles daransetzen, die Anordnung aufrechtzuerhalten.“

So sind bereits Schreiben an den Verkehrsminister, den Ministerpräsidenten und seine Stellvertreterin gegangen. Darin legt die Stadt ihre Rechtsansicht noch einmal dar und verdeutlicht ihren Unmut über die erneute Beanstandung der Verkehrsberuhigungsmaßnahme.

Bereit zu gerichtlichen Schritten

„Wir setzen jetzt darauf, dass die Landesregierung das Ganze korrigiert und grünes Licht für unsere verkehrsbehördliche Maßnahme gibt“, hofft Bürgermeister Wiese. „Vorsorglich haben wir aber bereits mit einer Fachanwältin Kontakt aufgenommen, die alle erforderlichen gerichtlichen Schritte veranlasst, wenn Hannover nicht kurzfristig einlenkt.“

  • Stadt Winsen: Tagesordnung der Ratssitzung vom 3. März 2022, bei dem die Beschlüsse zur Lärmaktionsplanung gefasst wurden (mit entsprechenden Unterlagen): mehr
    In der Zusammenfassung der Ergebnisse in Anlage 6 LAP der 3. Stufe (Final)-01-40, S. 18, wird an betroffenen Straßen in Pattensen ausdrücklich Tempo 30 vorgeschlagen.

Berichterstattung im Winsener Anzeiger

  • Winsener Anzeiger: Bürgermeister will um Tempo 30-Zone kämpfen – 06.01.2023
    Die Stadt Winsen hat die Ortsdurchfahrt Pattensen in eine Tempo-30-Zone umgewandelt. Das Verkehrsministerium in Hannover sagt nein dazu. Die Stadt rüstet sich nun für eine Auseinandersetzung vor Gericht.
  • Winsener Anzeiger: Historische Chance genutzt – 05.03.2022
    Der Rat stimmte mehrheitlich zu, für Abschnitte auf der Pattenser Hauptstraße in Pattensen ganztags und auf der Radbrucher Straße in Luhdorf zumindest nachts Tempo 30 einzuführen. Anlass war die dritte Stufe des Lärmaktionsplans. Das Lärmgutachten zeigte, dass dringender Handlungsbedarf bestand. Das letzte Wort hat das Land Niedersachsen, die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung ist aber so hoch wie wohl noch nie.

Hintergrund: Lärmaktionsplanung nach EU-Vorgabe

Alle fünf Jahre wird, so die Vorgabe der Lärmaktionsplanung (LAP) nach EU-Umgebungslärmrichtlinie (ULR), die Lärmbelastung vor Ort geprüft. Die Kommunen vor Ort entwickeln einen Lärmaktionsplan, um Lebensqualität und Gesundheit der Einwohner*innen zu fördern.

Die Analyse der Lärmsituation beruht auf umfangreichen standardisierten Berechnungen. Dabei fließen u.a. die Verkehrsbelastung, die Straßenoberfläche und die Zahl der betroffenen Bewohner ein. Es wird die sogenannte “Lärmkennziffer” ermittelt. Dafür wird die Lärmbelastung über dem Schwellenwert für den Tag bzw. die Nacht multipliziert mit der Anzahl der Betroffenen in den anliegenden Gebäuden. So erhält man ein objektiviertes Ergebnis, das als Handlungsgrundlage dient.

Verschiedene Maßnahmen möglich

Auf dieser Grundlage werden mögliche Maßnahmen für betroffene Straßenzüge mit erheblicher Lärmbelastung vorgeschlagen. Dazu gehören zum Beispiel Geschwindigkeitsbegrenzungen, Verbesserungen der Fahrbahnoberfläche, Optimierungen des Pflasters für den Radverkehr und die Verlagerung des Verkehrs.

Einbezug der Bürger:innen – Entscheidung in der Hand der jeweiligen Kommune

In die Lärmaktionsplanung müssen die Einwohnenden ausdrücklich mit einbezogen werden. Die Ergebnisse und Vorschläge sind so zu gestalten, dass sie gut verständlich und zugänglich sind. Die örtliche Rat wird informiert und entscheidet im Anschluss über das weitere Vorgehen:

  • Wieweit will die Kommune dem Lärmschutz Rechnung tragen? Welche Grenzwerte sollen für die Lärmbelastung nachts und tagsüber angestrebt werden?
  • Welche Maßnahmen sollen in den jeweiligen Straßen ergriffen werden?

Lärmaktionsplanung in Niedersachsen

… und in Lüneburg

Zu beachten: Für die Stufe 4 der Lärmaktionsplanung müssen nur die Werte für Ballungsräume mit mehr als 100.000 Einwohnern sowie für Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen über 3 Millionen Kfz/Jahr (gut 8000 Kfz täglich) ermittelt werden. Bis zum 18.07.2024 sind durch die Kommunen Lärmaktionspläne zu erarbeiten bzw. zu überarbeiten.

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