Die drei jungen Wiesenweihen werden die Feldernte überstehen. Foto: Helmut Schnieder.

NLKWD: Rettung für die Wiesenweihe in Lüchow-Dannenberg – Reportage vom Feldrand

Wenn Stefan Beilke von einem erfolgreichen Tag auf dem Feld heimkommt, hat er keine Ernte eingefahren. Dafür hat der Mitarbeiter der NLWKN-Naturschutzstation Wendland-Drawehn die seltene Wiesenweihe vor dem Mähtod bewahrt. Denn nicht nur Rehkitze fallen regelmäßig modernen Großflächenmähern zum Opfer.


Mitteilung von: Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz NLWKD – Am: 04.07.2024
Online: https://www.nlwkn.niedersachsen.de/ – Foto: Helmut Schnieder. 


Naturschützer und Landwirte Hand in Hand zur Rettung von Tieren vor dem Mähtod

Eine Reportage vom Feldrand

Foto: Helmut Schnieder. Diese drei jungen Wiesenweihen werden die Feldernte überstehen. 

Es ist neun Uhr vormittags, als Stefan Beilke von der noch jungen NLWKN-Naturschutzstation Wendland-Drawehn im Landkreis Lüchow-Dannenberg auf einem goldgelben Gerstenfeld seinen Blick schweifen lässt. Scheinbar gottverlassen steht der 60-Jährige bis zur Hüfte im Korn – Korn, das nur einen Tag später schon im Silo eines nahegelegenen Hofes landen soll.

Ein Knistern auf Kanal drei, ein kurzes Rauschen, dann eine vertraute Stimme über Walkie-Talkie: „Stefan, du bist etwa zwei Meter zu weit westlich“. Dir Stimme gehört Manfred Schaaf. Der pensionierte Landmaschinenmechaniker ist Mitglied der Avifaunistischen Arbeitsgemeinschaft Lüchow-Dannenberg e.V.

Auf Ausschau nach der Wiesenweihe

Schaaf steht rund drei Fußballfeldlängen entfernt am Kofferraum eines blauen Kombis. Auch er lässt den Blick schweifen – wenn auch nur indirekt: Gezielt justiert er immer wieder die Optik seines Beobachtungsfernrohrs nach.

Wonach beide Männer, jeder auf seine Weise, Ausschau halten, ist rund 50 Zentimeter klein und hat eine in der modernen Welt fatale Angewohnheit: Die Wiesenweihe, ein Greifvogel aus der Familie der Habichte, bevorzugt bei der Brut Getreidefelder. Denn ihre eigentlichen, von Röhricht und Schilfrohr geprägten natürlichen Lebensräume sind in Mitteleuropa weitgehend zerstört.

Streng geschützte Art – ein Schwerpunkt im Landkreis Lüchow-Dannenberg

In Niedersachsen brüten heute regelmäßig rund 100 Paare dieser streng geschützten Art, überwiegend verteilt auf drei Gebiete. Eines davon befindet sich seit Langem mit durchschnittlich rund zehn Paaren im Landkreis Lüchow-Dannenberg – und damit im Einsatzgebiet von Stefan Beilke und Manfred Schaaf.

Die beiden Naturschützer sind an diesem warmen Frühsommermorgen im Einsatz, um Neststandorte zu markieren und sie so vor der Zerstörung durch Erntemaschinen zu bewahren. Hierfür müssen die Brutplätze der Wiesenweihe per Linienpeilung lokalisiert und zusammen mit den Landbewirtschaftern gesichert werden.

Drohne als wichtiges Werkzeug

Neben Fernglas und Spektiv ist eine infrarotfähige Drohne dabei ein wichtiges Werkzeug. „Mit ihr lässt sich später die Situation in bereits ausfindig gemachten und markierten Nestern aus der Luft kontrollieren“, erklärt Manfred Schaaf.

Während der ehrenamtliche Mitarbeiter im Wiesenweihen-Schutz das Feld aus der Ferne im Blick hat, kämpft sich Stefan Beilke mit vorsichtigen Schritten weiter durch die erntereife Gerste vor.

Keine Chance gegen moderne Landmaschinen

Ziel ist es zu verhindern, dass ein Gelege von einem Mähdrescher im Bruchteil einer Sekunde vernichtet wird. „Gegen moderne landwirtschaftliche Maschinen mit einer Arbeitsbreite von zehn Metern und mehr haben Bodenbrüter wie die Wiesenweihe keine Chance“, betont Beilke. Zugleich lobt er die gute Zusammenarbeit mit den Landwirten: „Hier erleben wir in der Regel sehr viel Verständnis und Kooperationsbereitschaft“.

Jungtiere bleiben nach dem Schlüpfen drei bis vier Wochen in Nestnähe

Noch drei Schritte, dann: ein dünnes „pii-ii“. Und nochmal: „pii-ii“, irgendwo von rechts. Der von Jungvögeln der Wiesenweihe gern genutzte Hunger-Ruf, er ist ein untrügliches Zeichen: Beilke ist seinem Ziel, dem zweiten Horst der Wiesenweihe in diesem Kornfeld, ganz nah. Die Jungvögel im Nest sind bereits geschlüpft. Sie halten sich nun noch gut drei bis vier Wochen in Nestnähe auf, wo sie mit Nahrung versorgt werden.

Gut sichtbare Holzstange als Markierung gesetzt

Noch ein paar Meter, dann steckt der Naturschützer eine der mitgebrachten, mit grüner Farbe markierten und damit hoffentlich weithin sichtbaren Holzstangen in die Erde. So wird das Nest erfolgreich vor landwirtschaftlichen Maschinen geschützt.

Der weitere Bruterfolg der Wiesenweihen ist vor allem vom Nahrungsangebot abhängig. Mäuse, aber auch Kleinvögel und Großinsekten stehen auf dem Speiseplan der Bodenbrüter, deren Muttertier bereits wieder aufmerksam über dem Gerstenfeld kreist.

Ernte am Folgetag geplant

Für Stefan Beilke und Manfred Schaaf ist mit der gerade vorgenommenen Markierung der Einsatz auf diesem Kornfeld nach rund einer Stunde fast abgeschlossen. Morgen kommen die Maschinen und die Ernte wird eingefahren. Ob die Anstrengungen der Naturschützer von Erfolg gekrönt sein werden, wird sich erst etwas später zeigen.

Mehr Information

Über den weiteren Verlauf und das Ergebnis der diesjährigen Wiesenweihen-Brutsaison in ihrem Gebiet mit aktuell zwölf Paaren informieren Stefan Beilke und Manfred Schaaf voraussichtlich im August im Blog der niedersächsischen Naturschutzstationen.

  • NLWKN: Blog der Naturschutzstationen
    Vom großen Schutzprojekt vor Ort bis hin zu kleinen Naturbeobachtungen zwischen Welle, Wald und Wiese: Hier erhalten Sie regelmäßig Einblicke in die Arbeit der sechs Naturschutzstationen des NLWKN in Niedersachsen.
  • NLWKN: Wiesenweihenschutz in Niedersachsen
    Information und Faltblatt zum Herunterladen
  • Avifaunistische Arbeitsgemeinschaft Lüchow-Dannenberg e.V.: https://www.vogelwelt-wendland.de
    Die Mitglieder der Avifaunistischen Arbeitsgemeinschaft Lüchow-Dannenberg e.V. (AAG) beobachten aus Freude frei lebende Vögel. Sie erforschen die reiche Vogelwelt des Hannoverschen Wendlandes, erkunden die Verbreitung von Brut- und Gastvögeln in den verschiedenen Lebensräumen, verfolgen die Entwicklung der Vogelbestände und treten für eine artenreiche Umwelt ein.
Foto: Anne Rogge. Zur Nestkontrolle setzen die Naturschützer eine infrarotfähige Drohne ein.

Foto: Anne Rogge. Zur Nestkontrolle setzen die Naturschützer eine infrarotfähige Drohne ein.

Foto: Hermann Feuchter. Mit Markierstangen und Funkgerät durchschreitet Stefan Beilke das Feld, um den Horst zu markieren, bevor die Mähmaschinen kommen.

Foto: Hermann Feuchter. Mit Markierstangen und Funkgerät durchschreitet Stefan Beilke das Feld, um den Horst zu markieren, bevor die Mähmaschinen kommen.

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