Wie kann man „fairen“ Kaffee produzieren? Avenir-Mitglieder berichten von Reise nach Ecuador
Fairen Kaffee rösten und verkaufen, das ist das Ziel des Avenir-Kollektivs in Lüneburg. Drei Team-Mitglieder waren im November 2022 vor Ort in Ecuador. Von dort bezieht das Avenir den Rohkaffee. Beeindruckt berichteten sie am 18. Februar 2023 von ihren Erkenntnissen. Per Crowd-Funding will das Avenir nun einen Teil der Kaffee-Ernte dort vorfinanzieren.
Mitteilung von: Avenir Lüneburg
Am: 23.02.2023
Online: https://insavenir.de/
Foto: Avenir.
Fairer Kaffee-Handel: Reise zu Kaffee-Kooperativen in Ecuador
Bericht zur Veranstaltung am 18. Februar 2023, Avenir Rösterei
Foto: Avenir. Treffen des Avenir-Teams aus Lüneburg mit Mitgliedern der Kaffee-Kooperative ACRIM in Ecuardor. Die drei Teammitglieder sind von links Marielle Martinez, hinter ihr Max Timm und ganz rechts Lukas Burtschell. In der Mitte Andreas Felsen vom Importpartner Quijote Kaffee, Hamburg (https://www.quijote-kaffee.de).
Was ist eigentlich wirklich „fairer“ Handel? Diese Frage begleitete die drei Mitglieder des Avenir-Teams auf ihrer Reise zu den Kaffee-Kooperativen in Ecuador.
Marielle Martinez, Lukas Burtschell und Max Timm hatten sich im November 2022 auf den Weg gemacht, um die Kooperativen ACRIM und APECAP zu besuchen. Von ihnen bezieht die Avenir-Rösterei ihren Arabica-Rohkaffee.
Kontakt aufbauen und mehr über Kaffeeanbau erfahren
Die Reise sollte den persönlichen Kontakt zu den Kaffee-Produzent*innen aufbauen. Gleichzeitig wollten sie mehr über Kaffeeanbau und -ernte, über das Leben und Arbeiten in einer Kooperative und über die Strukturen des globalen Kaffeehandels erfahren.
Und sie wollten sich ein Bild davon machen, wo die Rohbohnen, die im Avenir verarbeitet werden, eigentlich herkommen.
Reisebericht am 18. Februar 2023 im Avenir
Am 18. Februar 2023 luden die drei zu einem Reisebericht in die Rösterei ein.
Denn: Die Menschen am Ende der Lieferkette – also wir Kaffeetrinker*innen – sollen erfahren, „was ganz am Anfang passiert“, erklärt Marielle die Motivation der Veranstaltung.
Und: Wer den Kaffee trinkt, trägt schließlich auch Mitverantwortung für das Produkt.
Rohkaffee in Ecuador vor allem in Kooperativen produziert
Rohkaffee wird vor allem in selbstverwalteten, basisdemokratischen Zusammenschlüssen von vielen Farmer*innen produziert – so genannten Kooperativen.
„Als Kooperative am Kaffeemarkt zu agieren, bringt viele Vorteile für die Farmer*innen“, erläutert Lukas. „Sie sind nicht den schwankenden Preisen am Kaffeemarkt ausgesetzt. Sie bekommen Zugang zu wertvollem Wissen hinsichtlich des Kaffeeanbaus und profitieren von dem regen Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern. Auch werden Jugend- und Frauengruppenarbeit innerhalb der Kooperative gefördert.“
Alternativ: Verkauf an Zwischenhändler mit kurzfristig mehr Einnahmen
Trotzdem ist die Verlockung für manche Farmer*innen groß, bei hohen Kaffee-Weltmarktpreisen ihre Kaffeeernte nicht wie vorgesehen an die Kooperative zu liefern, sondern an Zwischenhändler zu verkaufen. Denn diese bieten mehr Geld. Kurzfristig sind die Einkünfte der Farmer*innen dann höher. Mittel- und langfristig sind sie aber dem volatilen Kaffeemarkt ausgeliefert.
Und dennoch: „Der Verheißung nach besseren Einkünften zu folgen, finde ich menschlich“, ordnet Max das kurzfristige Handeln der Farmer*innen ein. „Und es zeigt, dass selbst die Preise, die wir der Kooperative für den Kaffee zahlen und die deutlich über dem Fairtrade-Niveau liegen, auch nur für ein bescheidenes Leben reichen.“
Kaffeeanbau ist schwere körperliche Arbeit – Respekt vor der Arbeit
Und das bei gleichzeitig schwerer körperlicher Arbeit. Fotos zeigten, wie der Avenir-Kaffee zwischen Bananenpflanzen und auf humusreichem Boden an steilen Gebirgshängen wächst, wie die roten Kaffeekirschen in mühevoller Handarbeit geerntet werden und mit welchen handbetriebenen Maschinen und Werkzeugen die Kaffeeernte schließlich weiterverarbeitet wird.
Am eigenen Leib haben die drei erfahren, wie anstrengend das Pflücken der reifen Kaffeekirschen und das Drehen der Maschine ist, die das Fruchtfleisch von der Bohne löst.
„Seit der Reise stürze ich keinen Kaffee mehr gedankenlos runter“, reflektiert Lukas, „Ich habe großen Respekt vor der Arbeit entwickelt, die in einer Tasse Kaffee steckt.“
Avenir-Rohbohnen mit Spitzenqualität
Auch die Qualität des Kaffees ist den Dreien noch bewusster geworden. Beim sogenannten Cupping haben sie mit ausgebildeten Sensorikern verschiedene Kaffees geschlürft und nach ihren Geschmacksaromen bewertet.
Dabei haben sie erfahren, dass die Rohbohnen des Avenir mit einem Scoring-Wert von 84 nur noch von ca. 3 Prozent der weltweiten Kaffees in ihrer Qualität übertroffen werden.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kaffee-Kooperativen ACRIM und APECAP
„Wir sind sehr glücklich, mit den Kooperativen ACRIM und APECAP zwei so vertrauensvolle Handelspartner mit so gutem Kaffee und ökologisch verantwortungsvollem Anbau zu haben“, resümieren die drei ihre Reise.
Ihnen ist bewusst geworden, wie wichtig und wertvoll langfristige und persönliche Beziehungen für beide Seiten sind.
Avenir schießt einen Teil der Kaufsumme vor
Zur guten Partnerschaft auf Augenhöhe gehört für das Avenir-Team auch, dass 60 Prozent des Rohkaffees schon bezahlt werden, bevor er wächst und geerntet wird.
Das hat zwei Gründe: Erstens müssen die Farmer*innen dann keine teuren Kredite aufnehmen und zweitens trägt das Avenir auf diese Weise das Risiko einer Missernte mit. Das ist eine Ausnahme im Kaffeebusiness. Häufig erhalten die Farmer*innen ihr Geld erst viele Monate nach der Ernte und Lieferung.
Bei den Gesprächen mit den Farmer*innen wurde klar, wie wichtig es ist, dass sie die Ernte ohne finanziellen Stress einbringen können – mit ausreichend Geld und dem Wissen um eine stabile Preisgarantie.
Crowdfunding: Aufruf zur Beteiligung – Kaffee vorbestellen
Mit einer Crowdfunding-Kampagne gibt das Avenir-Team den Kaffee-Kund*innen die Möglichkeit, sich an der Vorfinanzierung zu beteiligen. Sie können heute schon den Kaffee kaufen, den sie einige Monate später, nach der Ernte, erhalten.
Das funktioniert so: Interessierte nehmen eine Kaffeebestellung vor und bezahlen sie. Zehn Monate später, also ab Dezember 2023, wenn der Kaffee eingetroffen und geröstet ist, erhalten sie die bestellte Ware.
Auf diese Weise kann man von Lüneburg aus zu fairer Produktion und fairen Arbeitsbedingungen beitragen. Die Aktion läuft noch bis zum 1. März 2023.
- Startnext: Crowdfunding Kaffee-Ernte Avenir – mehr
Wie fair kann Kaffee sein?
Und dennoch bleibt die Frage für die Reiserückkehrer*innen: Ist unser Kaffeehandel wirklich „fair“? „Er ist so fair und so solidarisch, wie es uns derzeit überhaupt möglich ist“, so das Fazit von Lukas.
Und gleichzeitig hat die Reise eben auch weitere, große Fragen aufgeworfen: Wie können wir strukturelle Ungleichheiten beseitigen, die durch jahrhundertelange Ausbeutung von Ländern des globalen Südens entstanden sind?
Und was können wir tun, um den Kaffeemarkt grundlegend und nachhaltig zu verändern?
Mehr Information und Kontakt
- Avenir Lüneburg: https://insavenir.de/
- Startnext: Crowdfunding Kaffee-Ernte Avenir – mehr
Lünepedia: Avenir
Das Avenir ist ein Café und gleichzeitiger Kaffeeladen in der Innenstadt von Lüneburg. Es befindet sich in der Katzenstraße und ist eine der Mietparteien im Heinrich-Böll-Haus.
Entstanden ist das Konzept in Anschluss an die 2011 erfolgte Gründung des Vereins Lünebohne. Dessen Ziel war der Verkauf von fair gehandeltem Kaffee in Lüneburg. Das Avenir steht in dieser Tradition und zeichnet sich vor allem durch den Ansatz des fairen Handels und Produzierens sowie das ökologische Wirtschaften aus.
Am 9. Mai 2021 hat das Avenir in Lüneburg, Ilmenaugarten 137c, eine eigene Rösterei mit Café eröffnet. Hier werden seitdem die Kaffeebohnen geröstet.
Weiterlesen: https://www.luenepedia.de/wiki/Avenir
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