Kind mit bunter Hand. Foto: Prashant Sharma, Pixabay.

Inklusion an Lüneburger Schulen: Kreiselternrat kritisiert Bildungsdezernat

Die Materie ist komplex. In Kürze geht es darum, dass die Förderschule Lernen im Jahr 2028 ausläuft. Nach einem Beschluss des Rates im März 2023 soll in Lüneburg eine Schule ausgewählt werden, an der übergangsweise eine “inklusive (Modell-)Förderklasse” eingerichtet wird. Falls möglich, soll dafür ab dem Schuljahr 2023/2024 ein Förderzweig KME (körperlich-motorische Entwicklung) an der Johannes-Rabeler-Schule angegliedert werden. Der Kreiselternrat wirft dem Bildungsdezernat der Hansestadt nun vor, diesen Schritt zu hintertreiben. Bereits in ihrer Stellungnahme zur Ratssitzung hatte die Verwaltung gewichtige schulfachliche und schulrechtliche Einwände angeführt.


Mitteilung von: Kreiselternrat Lüneburg – Am: 23.08.2023
Online: https://www.kreiselternrat-lueneburg.de/


Kreiselternrat Lüneburg: “Stadtverwaltung boykottiert Leuchtturmprojekt!”

Lüneburgs Elternräte kritisieren scharf den Umgang von Lüneburgs Bildungsdezernat mit dem Ratsbeschluss, die schulische Inklusion verbessern zu wollen. Ein Schreiben an Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch bleibt unbeantwortet.

Ratsbeschluss am 6. März 2023: Leuchtturmprojekt für Inklusion in Lüneburg schaffen

Mit breiter Mehrheit hat der Stadtrat im März 2023 beschlossen, eine Übergangslösung für die stufenweise Schließung der Johannes-Rabeler-Schule zu schaffen. Voraussetzung dafür ist das Angliedern eines Förderzweigs, um das bestehende Förderzentrum zu erhalten. Die Eltern werfen dem Bildungsdezernat jetzt vor, diesen wichtigen Schritt boykottiert zu haben.

Intensive Vorbereitungen und Gespräche

Auf Initiative von Lüneburgs Stadt- und Kreiselternräten waren den Ratsbeschlüssen intensive Vorbereitungen und Gespräche mit allen Parteien auf unterschiedlichsten Ebenen bis hin zum Kultusministerium vorausgegangen. Der hiesige Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des niedersächsischen Kultusausschusses, Pascal Mennen (Grüne), zugleich Ratsherr, hatte sich für dieses Projekt federführend eingesetzt.

Das Abstimmungsergebnis war ein Kompromiss, mit dem sowohl Eltern wie auch eine große politische Mehrheit gut leben kann, abgesegnet durch den Behindertenbeirat. Begleitet und evaluiert werden soll das Projekt zudem durch die Bildungswissenschaft der Leuphana Universität.

Rabeler-Schule: Zweig für “körperliche und motorische Entwicklung” (KME) angliedern

Vorgesehen ist, zur Verbesserung der schulischen Inklusion übergangsweise an die bei Eltern beliebte Rabeler-Schule einen KME-Zweig (körperliche und motorische Entwicklung) anzugliedern und zugleich Kooperationsklassen in den Regelschulen einzuführen.

Denn: „Alle sind sich darin einig, dass Inklusion an den meisten Schulen noch nicht funktioniert. Wir brauchen hier einen schrittweisen, realistischen Weg, der die Beteiligten mitnimmt und aufgrund der aktuellen Situation nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist“, erklärt Stadtelternratsvorsitzende Miriam Kaschel.

Und Stefanie Ratz vom Stadtelternrat ergänzt: „Damit das Modell überhaupt funktionieren kann und um die Expertise des Förderzentrums mit all seinen Fachkräften in der Stadt erhalten zu können, ist die Einrichtung des KME-Zweiges unumgänglich.“ Dies habe man auch nach dem erfolgten Ratsbeschluss mehrfach so mit Lüneburgs Bildungsdezernenten Florian Forster diskutiert.

Bedarf muss nachgewiesen werden

In diesen Gesprächen wurde den Elternvertretern seitens der Stadtverwaltung mitgeteilt, dass zur Beantragung des Förderzweigs bei der zuständigen Landesschulbehörde erst noch ein Bedarf von mindestens dreizehn Kindern nachgewiesen werden müsse – obwohl die Entwicklung der Schülerzahlen an der Rabeler-Schule seit Jahren einen hohen Bedarf verdeutlicht und die stadteigene Statistik mehr als 100 Kinder aus Stadt und Landkreis mit festgestelltem Unterstützungsbedarf aufweist.

„Wenn Sie also Familien kennen, die ihre Kinder für den entsprechenden Förderbedarf im Schuljahr 2023/2024 anmelden wollen, können diese sich gerne bei uns melden“, wird Forster von den Eltern zitiert. Gesagt, getan – im Mai 2023 meldeten einige Familien ihren Bedarf bei der Stadt an.

Bildungsdezernat: Ablehnungsbescheide versandt

Doch anstatt zeitnah den Antrag beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung (RLSB) zu stellen, versandte das Bildungsdezernat Ablehnungsbescheide an die interessierten Familien, bei denen nun zwischen Kindern aus dem Stadtgebiet und dem übrigen Landkreis unterschieden wurde.

Begründung: Keine Zuständigkeit für Kinder aus dem Landkreis

Eltern von Förderkindern mit Wohnsitz im Landkreis sollten sich doch an die Verwaltung im Michaeliskloster wenden, die Stadt sei für sie nicht zuständig.

Kreiselternratsvorsitzender Marco Sievers dazu: „Uns ist weder bekannt, dass plötzlich neue Schulbezirke eingeführt, noch dass Vereinbarungen zwischen Hansestadt und Landkreis zur gegenseitigen Aufnahme von Schülern aufgekündigt wurden.“

Er halte die Antwort der Stadt für eine Frechheit und habe das auch vor kurzem im Schulausschuss des Landkreises thematisiert, wo man sich darüber ebenfalls erstaunt gezeigt habe. Es dränge sich der Eindruck auf, dass der Bedarf hier kleingerechnet werden soll, um die inhaltliche Auseinandersetzung zu vermeiden – die Verwaltung wolle das Projekt offenbar boykottieren.

Unterscheidung nach Herkunft der Schüler:innen nicht üblich

Mit Verweis auf die Schule Am Knieberg, eine Förderschule des Landkreises, stellt auch die Vorsitzende des Stadtelternrates klar, dass Schüler aus dem Stadtgebiet eine Schule in Kreisträgerschaft besuchen und umgekehrt. Das sei gelebte Praxis.

In einem Schreiben an Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch Ende Juni 2023 bittet Miriam Kaschel um Stellungnahme und fordert zum Handeln auf – doch bis August kommt dazu keine Antwort aus dem Rathaus.

Mehr Information und Kontakt

Hintergrund: Inklusion an den Schulen in Niedersachsen und in Lüneburg

“Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazugehört. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Jeder kann mitmachen. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit: Das ist Inklusion.
Gemeinsam verschieden sein.” (bildungsportal-niedersachsen.de/inklusive-schule/).

Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention stellt sicher, dass Menschen nicht wegen einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen. Alle Kinder und Jugendliche sollen gleichberechtigt Zugang zu inklusiver, hochwertiger und unentgeltlicher Schulbildung haben. Kanada, Finnland oder Italien zeigen, wie inklusive Bildung erfolgreich umgesetzt werden kann.

Niedersächsisches Schulgesetz regelt die Abwicklung der Förderschule Lernen bis 2028

Deutschland ist der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 beigetreten. Die Bundesländer bemühen sich nun um eine Umsetzung. Das Niedersächsischen Schulgesetz sieht die geregelte Abwicklung der Förderschule Lernen bis 2028 vor. Ab dem Schuljahr 2023/2024 sollen neue Schüler*innen dieses Förderschwerpunkts an den Regelschulen unterrichtet werden, bestehende Klassen werden noch an der Förderschule weitergeführt.

Als Übergangslösung fordert die Grüne Fraktion, dass an den Regelschulen Klassen eingerichtet werden, in denen die Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Lernen weiterhin gemeinsam unterrichtet werden können. Diese Klassen sollen einen höheren Fachkraftschlüssel aufweisen und somit den Kindern und Jugendlichen ein schützendes Setting innerhalb der Regelschulen bieten, wie Pascal Mennen am 23.06.2023 über Lüne-Blog mitteilte (mehr).

Lüneburg: Leuchtturm-Projekt zur Inklusion an der Johannes-Rabeler-Schule?

In Lüneburg steht die Johannes-Rabeler-Schule als Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen vor der Abwicklung. CDU und FDP setzen sich bereits seit längerem für den Erhalt ein (Lüne-Blog, 07.06.2022). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Stadtelternrat Lüneburg beantragten nun Ende 2022 die Einrichtung eines “Leuchtturmprojekts zur Verbesserung der Inklusion in Lüneburg”.

Der Antrag sieht vor, zur Verbesserung der schulischen Inklusion übergangsweise an der Johannes-Rabeler-Schule einen KME-Zweig (körperliche und motorische Entwicklung) anzugliedern und zugleich Kooperationsklassen in den Regelschulen einzuführen. Die Johannes-Rabeler-Schule soll auf diese Weise als “Kernschule” weiterhin bestehen bleiben und andere Schulen mit inklusiven Kooperationsklassen betreuen.

“Auf diese Weise behält die Stadt Lüneburg ein Förderzentrum, durch das die Kooperationsklassen an den anderen Schulformen unterstützt werden. Ohne Förderzentrum sind keine Kooperationsklassen möglich”, so der Kreiselternrat. Nach dem niedersächsischen Schulgesetz sind alle Schulformen inklusiv. Daher würde die Johannes-Rabeler-Schule dann allen Schülerinnen und Schülern offen stehen.

Beschlüsse der Ratsversammlung

Bei der Ratssitzung am 6. März 2023 wurde beschlossen: Die Verwaltung der Hansestadt soll eine geeignete Schule auswählen, an der übergangsweise eine “inklusive (Modell-)Förderklasse” eingerichtet werden kann, und entsprechende Schritte unternehmen.

Falls rechtlich möglich, soll ab dem Schuljahr 2023/24 ein inklusiver Förderzweig KME (körperliche und motorische Entwicklung) an der Johannes-Rabeler-Schule angegliedert werden.

Verwaltung: Einwände aus schulfachlicher und schulrechtlicher Sicht

Laut der Stellungnahme der Verwaltung zu dem Vorhaben gibt es jedoch gewichtige Einwände: Nach Aussagen der Zuständigen beim Regionalen Landesamt für Schule und Bildung wird das Leuchtturmprojekt in dieser Form weder aus schulfachlicher Sicht (Referat 53) unterstützt, noch aus schulrechtlicher Sicht (Referat 15) für genehmigungsfähig gehalten.

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