Foto: Hansestadt Lüneburg. OB Claudia Kalisch im Gespräch mit Aktivist*innen der Letzten Generation im März 2023.

Nach Gespräch mit der “Letzten Generation”: OB Kalisch schreibt an Bundesregierung und Bundestag

Die Art des Protests: gefährlich. Aber: “Die Beweggründe der “Letzten Generation” […] teile ich vollumfänglich!” “Die Zeit drängt!”, so OB Claudia Kalisch in ihrem Schreiben an Bundesregierung und Bundestag, versandt am 20. März 2023. Sie unterstützt darin die Forderungen nach Geschwindigkeitsbeschränkungen und Stärkung des ÖV und regt an, die Einrichtung eines Gesellschaftsrats zu prüfen.


Mitteilung von: Hansestadt Lüneburg
Am: 21.03.2023
Online: mehr
Foto: Hansestadt Lüneburg


Nach Gespräch mit der “Letzten Generation”: OB Kalisch schreibt an Bundesregierung und Bundestag

Nach einem Treffen mit Vertreter:innen der “Letzten Generation”‘ dieser Tage im Rathaus hat Lüneburgs Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch am Montag, 20. März 2023, einen Brief an die Bundesregierung und die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag geschickt.

In dem Schreiben heißt es: „In einem gemeinsamen Gespräch bestand Einigkeit darüber, dass die Existenz der Menschheit aufgrund der Klimakrise bereits jetzt akut gefährdet und die Erderwärmung unbedingt einzugrenzen ist.”

Kalisch weiter: “Ich teile die Einschätzung der “Letzten Generation” und zahlreicher Wissenschaftler:innen, wonach die bislang eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichend sind.“

OB Kalisch: Art der Proteste gefährlich – aber Beweggründe “vollumfänglich” geteilt

Claudia Kalisch erläutert, warum ihr das Treffen wichtig war: „Wir kommen nur weiter, wenn wir miteinander reden. Das gilt für praktisch jedes Thema.

Ich möchte betonen, dass ich die Art der Proteste für gefährlich halte und diese als Eingriff in unser Rechtssystem ablehnen muss. Zudem lenken sie die Aufmerksamkeit und Diskussionen auf die Protestform und damit weg von dem, worum es wirklich geht: Klimaschutz.

Die Beweggründe der “Letzten Generation” allerdings teile ich vollumfänglich. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass es Zeit zum Handeln ist, um das Überschreiten von Klima-Kipppunkten zu verhindern. Die Zeit drängt.“

Geschwindigkeitsbeschränkungen, Stärkung der Öffis und Bürger:innenräte

In dem Schreiben erläutert OB Kalisch die Bedeutung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und des öffentlichen Verkehrs, um Klimaneutralität zu erreichen. Sie begrüßt das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgehaltene Vorhaben, Bürger:innenräte zu gründen und schlägt vor, entsprechend die Einrichtung eines Gesellschaftsrats zu prüfen.

Die Forderungen der “Letzten Generation” richteten sich zwar an die Bundesregierung, beträfen dabei aber auch die Hansestadt Lüneburg. „Die Hansestadt Lüneburg hat sich die Ziele des Klimaentscheids zu eigen gemacht und strebt die Klimaneutralität bis 2030 an. Insofern ist die Umsetzung der geforderten Maßnahmen auf Bundesebene auch für uns hier vor Ort relevant und notwendig!“

Brief von OB Claudia Kalisch im Wortlaut

  • Hansestadt Lüneburg: Brief von OB Kalisch zum Herunterladen (PDF-Datei) – mehr

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Scholz,

in vielen Städten Deutschlands erleben wir aktuell Proteste der „Letzten Generation“, die das Ziel haben, den Bund zur Intensivierung seiner Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Auch hier in Lüneburg fanden Aktionen statt. In einem gemeinsamen Gespräch bestand Einigkeit darüber, dass die Existenz der Menschheit aufgrund der Klimakrise bereits jetzt akut gefährdet und die Erderwärmung unbedingt einzugrenzen ist. Ich teile die Einschätzung der „Letzten Generation” und zahlreicher Wissenschaftler:innen, wonach die bislang eingeleiteten Maßnahmen nicht ausreichend sind, um dieses Ziel zu erreichen.

Dabei möchte ich betonen, dass ich die Art der Proteste für gefährlich halte und diese als Eingriff in unser Rechtssystem ablehnen muss. Die Beweggründe der „Letzten Generation” allerdings teile ich vollumfänglich! Wir wissen seit Jahrzehnten, dass es Zeit ist, zu handeln. Das Überschreiten der Klima-Kipppunkte ist mit allen Mitteln zu verhindern. Die Zeit drängt!

Ende 2021 beschloss der Rat der Hansestadt Lüneburg, dass die Stadt bis 2030 klimaneutral werden soll. Dieses Ziel zu erreichen, ist unter den jetzigen Rahmenbedingungen für uns als Kommune schwer. Intensivere Klimaschutzbemühungen des Bundes wären dafür relevant und notwendig:

So ist die Verbrennung von Kraftstoffen im Straßenverkehr EU-weit für einen großen Anteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der überwiegende Teil hiervon wird durch den motorisierten lndividualverkehr ausgestoßen. Anerkannt ist, dass geringere Geschwindigkeiten im Straßenverkehr ein probates Mittel sind, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren. Die Hansestadt Lüneburg trat daher im Jahre 2021 der Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten” bei.
Diese setzt sich dafür ein, dass Kommunen ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als innerörtliche Höchstgeschvvindigkeit dort anordnen können, vvo sie es für notwendig halten. Ein Tempolimit auch auf bundesdeutschen Autobahnen, wie von der „Letzten Generation” gefordert, ist daher einer von vielen Bausteinen, um die Verringerung von Emissionen zu erreichen und sollte folglich mit Nachdruck verfolgt werden. Von einem solchen Tempolimit würde auch die Hansestadt Lüneburg profitieren, auf deren Stadtgebiet ein – wenn auch kleiner – Teil des überörtlichen Verkehrs der Bundesautobahn 39 verläuft. Die Lage Lüneburgs innerhalb des regionalen und überregionalen Verkehrsnetzes bedingt also einen großen Anteil an Transitverkehren.

Zum Erreichen der Klimaneutralität ist zugleich eine Stärkung des öffentlichen Personenverkehrs vonnöten, um den Bürgerzinnen echte Alternativen zum Individualverkehr zu bieten. Neben der Erhöhung der Investitionen in die Infrastruktur kann die Einführung des bundesweiten Nahverkehrstickets hierbei entscheidende Hilfe leisten. Schließlich lässt sich nur im Zusammenspiel auf allen Ebenen die notwendige Verkehrswende umsetzen.

Notwendige Maßnahmen zum besseren Schutz unseres Klimas werden Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. Sie müssen daher von einer großen Mehrheit getragen werden, damit die Umsetzung auch gut gelingen kann. Gleichzeitig vertraue ich auf das Prinzip der Repräsentation. ich begrüße daher ausdrücklich das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgehaltene Vorhaben, Bürger:innenräte zu gründen. Die Gründung von Bürger:innenräten ist auch ein Auftrag des Rates der Hansestadt Lüneburg an die Verwaltung.

Der von der „Letzten Generation” geforderte „Gesellschaftsrat” basiert ebenfalls auf dem Gedanken, dass die Erarbeitung und Umsetzung dringend benötigter Maßnahmen möglichst „aus der Mitte der Gesellschaft” kommen sollte. Ich halte es für lohnenswert, sich beide Beteiligungsformen im Detail anzusehen und zu prüfen, wie man sie zusammenführen und deren Beratungsergebnisse in die Gesetzgebungsprozesse einfließen lassen kann.

Ich teile die Befürchtung der „Letzten Generation“, dass weniger tiefgreifende Maßnahmen das Risiko eines unumkehrbaren Kollapses wahrscheinlich machen und bitte daher um Ihre Unterstützung. Ich tue dies, weil ich davon überzeugt bin, dass ein „Weiter so” nicht ausreicht.

Mit freundlichem Gruß
Claudia Kalisch
Oberbürgermeisterin

  • Hansestadt Lüneburg: Brief von OB Kalisch zum Herunterladen (PDF-Datei) – mehr

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