Foto: Malte Hübner. Podiumsdiskussion zum neuen Straßenverkehrsgesetz am 14.09.2023. Von links: Jutta Beer, Pia Redenius, Dr. Julia Verlinden, Martin Schwanitz.

Das neue Straßenverkehrsrecht – Chance für die Verkehrswende? Bericht zur Podiumsdiskussion mit Dr. Julia Verlinden

Das neue Straßenverkehrsgesetz verringert die Privilegien des Autoverkehrs: Der Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit ist künftig gleichrangig neben der Sicherheit und Flüssigkeit des Autoverkehrs. Damit kann der öffentliche Verkehrsraum gerechter verteilt werden. Das erläuterte Dr. Julia Verlinden bei der Podiumsdiskussion zum neuen Straßenverkehrsrecht am 14. September 2023.


Mitteilung von: Mobilitäts-AG Bündnis 90/Die Grünen Lüneburg – Am: 25.09.2023
Online: https://gruene-lueneburg.de/ – Foto: Malte Hübner.


Das neue Straßenverkehrsrecht – Chance für die Verkehrswende?

Foto: Malte Hübner. Podiumsdiskussion zum neuen Straßenverkehrsgesetz am 14.09.2023. Von links: Jutta Beer, Pia Redenius, Dr. Julia Verlinden, Martin Schwanitz.

Die Reform des Straßenverkehrsrecht steht an, es soll noch in diesem Jahr im Bundesrat verabschiedet werden. Welche Chancen für die Verkehrswende bieten die neuen Regelungen? Die Mobilitäts-AG der Grünen in Lüneburg hatte am 14. September 2023 zu einer Podiumsdiskussion darüber eingeladen und berichtet über die Veranstaltung.

Viele Zuständige aus der Stadtpolitik vor Ort

Es diskutierten Dr. Julia Verlinden, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, und Martin Schwanitz, Verkehrswacht Lüneburg und hiesiger Verkehrssicherheitsberater. Verkehrsforscher Prof. Peter Pez hatte eine Videobotschaft geschickt.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Pia Redenius, Ratsmitglied für Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Mobilitätsausschusses, und Jutta Beer, Sprecherin der AG Mobilität von Bündnis 90/Die Grünen. Unter den etwa 60 Gästen im Foyer der Volkshochschule war auch Markus Moßmann, Verkehrsdezernent von Lüneburg.

Dr. Verlinden: Schutz von Klima, Umwelt und Gesundheit künftig gleichrangige Ziele

Foto: Malte Hübner. Podiumsdiskussion zum neuen Straßenverkehrsgesetz am 14.09.2023: Dr. Julia Verlinden.

Foto: Malte Hübner. Podiumsdiskussion zum neuen Straßenverkehrsgesetz am 14.09.2023: Dr. Julia Verlinden.

Dr. Julia Verlinden stellte zu Beginn die geplanten Änderungen des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO) vor. Laut bisher geltendem Straßenverkehrsgesetz ist – neben der Sicherheit des Verkehrs – das bisherige Hauptziel, dass der Autoverkehr gut fließen kann.

Mit der noch im Jahr 2023 geplanten Neufassung werden die Privilegien für den Autoverkehr verringert: Klima- und Umweltschutz und Gesundheit werden künftig gleichrangig mit der Sicherheit und Flüssigkeit des Autoverkehrs im Gesetz verankert.

Damit kann der öffentliche Verkehrsraum gerechter verteilt werden, denn die Einrichtung von Busspuren, Rad- und Fußwegen wird vereinfacht.

Auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) muss reformiert werden

Allerdings reicht die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) allein nicht, im Anschluss muss auch die Straßenverkehrsordnung (StVO) reformiert werden. Darin wird präzisiert, was Kommunen zukünftig tun dürfen.

Eine der wichtigsten Änderungen wird sein, dass Städte mehr Möglichkeiten erhalten, Tempo 30 und weitere, der Sicherheit dienende Maßnahmen anzuordnen.

„Bisher müssen erst Unfälle passieren, bevor Kommunen Verkehrsregelungen anordnen können, die Sicherheitsrisiken mindern“ erläutert Verlinden. Das Resultat seien eine hohe Zahl von Verkehrstoten in Deutschland, nämlich 2.700 im Jahr 2022 – und 120.000 verletzte Fußgänger:innen und Radfahrer:innen.

Vision Zero: Keine Getöteten und Schwerverletzten im Verkehr

Verlinden verweist auf die Vision Zero, deren Ziel ist, dass es keine Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr gibt. „Sicherheit ist erst gegeben, wenn Eltern ihren Kindern erlauben, Wege allein zu gehen“, verdeutlicht Verlinden.

Daher müssten die Entscheidungsräume der Kommunen erweitert werden. Dafür setze sich auch die Initiative „Lebenswerte Städte“ ein. Sie fordert, dass Kommunen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten, und zwar unabhängig von einschränkenden Bedingungen.

Der Initiative haben sich – neben Lüneburg – bereits mehr als 900 Städte und Kommunen angeschlossen, darunter auch zahlreiche mit CDU- und SPD-Bürgermeister:innen.

Martin Schwanitz: Infrastruktur entsprechend gestalten

Martin Schwanitz ging im Anschluss näher auf die Aspekte Sicherheit und Prävention ein. „Wichtigster Punkt, um Verkehrssicherheit zu erreichen, ist eine entsprechende Infrastruktur“, sagt Schwanitz.

Als aktuelles Beispiel führte er die Fahrradbügel in der Uelzener Straße an, die anstelle von Parkplätzen an den Einmündungen der Nebenstraßen errichtet wurden. Die damit entstandenen Sichtachsen seien sinnvoll, durch sie werde Sicherheit geschaffen.

Autofahrende halten Sicherheitsabstand zu Radfahrenden nicht ein: “Massendelikt”

Ein weiteres Sicherheitsrisiko stellen Radfahrstreifen dar, denn überholende Autos halten oft nicht den Mindestabstand von 1,50 Metern ein – dies ordnet Schwanitz als Massendelikt ein.

Am reformierten Straßenverkehrsgesetz (StVG) kritisiert er, dass die Vision Zero nicht darin verankert wird: „Denn wir sind vom Ziel der Vision Zero noch weit entfernt“.

Prof. Pez: Einbahnstraßenregelung mit Umweltspur in der Soltauer Straße

Prof. Dr. Pez zeigte in seiner Videobotschaft Beispiele für Verbesserungsmöglichkeiten in Lüneburg, die bereits mit der jetzigen Rechtslage umsetzbar sind. So seien für die Kreuzung Uelzener Straße / Munstermannskamp Verbesserungen für den Radverkehr möglich.

Abschließend verwies er auf die für Radfahrende und Fußgänger:innen unzureichende Situation an der Soltauer Straße stadteinwärts, wo es keinen Radweg mehr gibt. Radfahrende müssen hier im Schritttempo auf dem Fußweg fahren oder ungeschützt auf der Straße fahren. Für eine sichere Verkehrsführung bedürfe es hier einer Einbahnstraßenregelung mit einer Umweltspur.

Mehr Information und Kontakt

Die AG Mobilität der Grünen in Lüneburg trifft sich jeweils am dritten Montag im Monat um 18:30 Uhr im Grünen Büro in der Schröderstraße 16. Dort werden die aktuellen Verkehrsthemen in Lüneburg besprochen, Maßnahmen für die Verkehrswende diskutiert und die grünen Mitglieder in den Ausschüssen, im Stadt- und im Kreisrat unterstützt.

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