Datenschutz und Persönlichkeitsrecht. Foto: NoName_13, Pixabay.

Niedersachsens Ministerpräsident Weil: Doch kein Besuch bei Amazon in Winsen

Eigentlich wollte Ministerpräsident Stephan Weil den Versandhandel von Amazon in Winsen (Luhe) besuchen. Nun hat der Ministerpräsident den Termin abgesagt. Vorgesehen war ein Gespräch mit dem Betriebsrat. Doch das kam nicht gut an bei dem Unternehmen. Hintergrund dürften die Streitigkeiten um die Erhebung von minutengenauen Daten bei Beschäftigten sein.


Austausch mit dem Betriebsrat nicht erwünscht?

  • NDR: Weil sagt Besuch bei Amazon ab – und übt scharfe Kritik 24.03.2023
    Amazon habe darauf Wert gelegt, dass der Austausch mit dem Betriebsrat ein “Hintergrundgespräch” sei und darum gebeten, die Medien nicht darüber zu informieren. Als die Staatskanzlei dies ablehnte, habe das Unternehmen den Termin verschieben wollen.
  • Spiegel.de: Ministerpräsident Weil sagt Besuch bei Amazon ab – und kritisiert Unternehmen – 24.03.2023
    »Ich habe in den letzten Jahren eine Vielzahl von Unternehmen besucht, aber so etwas noch nicht erlebt«, teilte Weil mit. »Die Vermutung liegt nahe, dass das Verhältnis von Amazon zur Betriebsverfassung nicht hinterfragt werden sollte.«
  • tagesschau.de: Hat es Amazon auf die Betriebsräte abgesehen? – 12.04.2023
    An mehreren Amazon-Standorten in Deutschland gibt es Konflikte mit ver.di. Die Gewerkschaft vermutet systematische Behinderung. Amazon erklärte, die Rechte der Gewerkschaften zu achten.

Hintergrund: Amazon gegen Niedersachsen – Urteil zur Erhebung von Beschäftigtendaten


Mitteilung von: Verwaltungsgericht Hannover / Landesbeauftragte für Datenschutz Niedersachsen
Am: 14.02.2023 / 10.02.2023
Online: mehr / mehr


Datenschutzbeauftragte: Allgemeines Persönlichkeitsrecht der Mitarbeitenden überwiegt unternehmerische Interessen

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) Niedersachsen, Barbara Thiel, hatte der Amazon Logistik Winsen GmbH untersagt, ununterbrochen und minutengenau Qualitäts- und Quantitätsleistungsdaten der Mitarbeitenden zu erheben und weiter zu verarbeiten.

Landesbeauftragte hatte Erhebung von persönlichen Daten untersagt

Diese Daten werden mit einer Softwareanwendung ausgewertet und dienen der Steuerung logistischer Prozesse. Daneben werden werden sie vom Unternehmen als Bewertungsgrundlagen für Qualifizierungsmaßnahmen, für Feedback und Personalentscheidungen herangezogen.

Amazon: Klage gegen Verfügung

Dagegen hatte die Amazon Logistik Winsen GmbH vor dem Verwaltungsgericht Hannover geklagt: Sie verstoße nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Vielmehr habe sie ein berechtigtes Interesse an der Datenerhebung und Datenverarbeitung.

Verwaltungsgericht Hannover hebt Verfügung auf

Am 9. Februar 2023 tagte das Gericht in öffentlicher Sitzung im Amazon Logistikzentrum und besichtigte im Rahmen der Verhandlung das Fulfillment-Center.

Das Gericht gab der Klage statt und hob die Verfügung gegenüber der Amazon Logistik Winsen GmbH auf.

Landesbeauftragte: Persönlichkeitsrecht wiegt hier schwerer als wirtschaftliche Interessen

Barbara Thiel sieht das kritisch. „Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überwiegt“, sagt die Landesbeauftragte für Datenschutz.

„Der durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung sowie deren weitere Verarbeitung entstehende Anpassungs- und Leistungsdruck ist aus meiner Sicht höher zu gewichten, als das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens.“

Klare Regelungen für Schutz der Beschäftigten gefordert

Aus Sicht des Verwaltungsgerichtes und der Datenschutzbeauftragten besteht dringender Handlungsbedarf und sind klare Regelungen nötig für den Beschäftigtendatenschutz beim Bund.

„Die Grenzen einer Datenverarbeitung von Beschäftigten müssen gesetzlich klar festgelegt werden“, so Thiel.

Der aktuelle Fall zeige, wie berechtigt die Forderungen der Konferenz der unabhängigen deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder vom Vorjahr seien. Sie hatten den Bundesgesetzgeber unter anderem dazu aufgefordert, gesetzliche Eckpunkte für Grenzen der Verhaltens- sowie Leistungskontrolle zu schaffen.

  • Datenschutzkonferenz, 29. April 2022: Forderungen der Datenschutzbeauftragten der Länder – “Die Zeit für ein Beschäftigtendatenschutzgesetz ist ‘Jetzt’!” PDF-Datei – mehr

Berufung gegen das Urteil zugelassen – weiteres Vorgehen noch offen

Gegen das Urteil hat das Verwaltungsgericht Hannover die Berufung zugelassen. Ob die Landesbeauftragte für Datenschutz in Niedersachsen hiervon Gebrauch machen wird, wird Gegenstand einer Auseinandersetzung mit der schriftlichen Urteilsbegründung sein.

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