Dr. Roda Verheyen beim Vortrag am 30. Juni 2023 in der Johanniskirche Lüneburg. Foto: Klimaentscheid Lüneburg.

Klimaschutz: „Wir alle haben ein Recht auf Zukunft“ – Vortrag von Dr. Roda Verheyen

Klimaschutz, so das Bundesverfassungsgericht 2021, ist ein Grundrecht und somit einklagbar. Ein Erfolg für die Juristin Dr. Roda Verheyen – aber nur ein erster Schritt. „Kein Land nimmt den Klimaschutz ausreichend ernst“, erklärte sie im Vortrag beim Sommerempfang des Kirchenkreises Lüneburg. Daher müsse auch die Rechtsprechung helfen.


Mitteilung von: Klimaentscheid Lüneburg – Am: 02.07.2023
Online: https://klimaentscheid-lueneburg.de/
Foto: Klimaentscheid Lüneburg 


Klimaschutz: „Wir alle haben ein Recht auf Zukunft“

Vortrag von Dr. Roda Verheyen am 30. Juni 2023 beim Sommerempfang des Kirchenkreises Lüneburg

Beim Thema Menschenrechte denken viele vermutlich eher an ferne Länder als an Deutschland. Nicht so die Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen: Für sie ist Klimaschutz ein Menschenrecht, das auch in Deutschland noch durchgesetzt werden muss.

Darüber und dass „wir alle ein Recht auf Zukunft haben“, sprach Verheyen im Vortrag am 30. Juni 2023 in der St. Johannis-Kirche vor gut zweihundert Gästen beim diesjährigen Sommerempfang des Ev.-luth. Kirchenkreises Lüneburg.

Historische Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht 2021 gewonnen

Verheyen führt seit vielen Jahren Klimaklagen durch. Darunter war auch die historische Klage vor dem Bundesverfassungsgericht 2021: Das hatte die Klimapolitik der damaligen Bundesregierung für verfassungswidrig erklärt und festgehalten, dass Klimaschutz ein Grundrecht und somit einklagbar ist.

Für sie sind Klimaklagen ein Mittel, das immer wichtiger wird, damit vereinbarte Klimaziele eingehalten werden.

Zukunft für uns heute: Mehr Sorge als Hoffnung

„Das Wort Zukunft hat seine positive Ausstrahlung verloren. Mit Zukunft verbinden wir, vor allem die Älteren, die Sorge um eine überhaupt lebenswerte Zukunft für unsere Kinder und Kindeskinder.

Grund dafür ist der Klimawandel und seine Auswirkungen, die die Lebensgrundlagen vieler Menschen zerstören“, führte die leitende Superintendentin Christine Schmid in das Thema des Vortrags ein.

Schmid: Fehlendes Handeln gefährdet das Wohlergehen der kommenden Generationen

Doch Regierungen und Konzerne würden sich oft träge bis ignorant verhalten, wenn es darum ginge, konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz zu ergreifen. Damit würden sie die Zukunft und das Wohlergehen insbesondere der Jüngeren gefährden.

Schmid gestand ein, dass auch die Kirche in den letzten Jahrzehnten zu wenig für den Schutz des Klimas getan habe. Nun aber wolle der Kirchenkreis seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten und beschäftige beispielsweise einen eigenen Klimaschutzmanager.

Verheyen: Klimaschutz wird nicht ausreichend ernst genommen

„Warum gibt es Klimaklagen? Weil wir nicht auf dem richtigen Weg sind. Kein Land der Welt nimmt den Klimaschutz ausreichend ernst“, begann Verheyen ihren Vortrag.

Mit dem Pariser Klima-Abkommen von 2015 hätten die Staaten die 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung vereinbart, heute sei man bereits bei 1,2 Grad angekommen. Selbst wenn alle Staaten ihre diesbezüglichen Zusagen einhielten – was sie nicht tun, auch Deutschland nicht – würden wir bei 2,8 Grad landen.

Zeitfenster schließt sich – Rechtsprechung muss bei der Durchsetzung helfen

„Wir haben mit einer riesengroßen Erfüllungslücke zu tun. Ich nenne das rechtswidrig“, so Verheyen. Deswegen gehe sie vor Gericht, denn inzwischen hätten wir nur noch ein sehr kleines Zeitfenster, daher müsse auch die Rechtsprechung helfen.

„Wir sind in der Erdgeschichte an einer Stelle angelangt, wo es nicht mehr um die angestammten Menschenrechte geht. Es geht tatsächlich darum, dass alles miteinander verwoben ist. Menschenrechte können nur noch ausgeübt werden, überall auf der Welt, wenn wir unsere Lebensgrundlagen schützen.“

Ihr Buch „Wir alle haben ein Recht auf Zukunft“ sei eine Ermutigung, weil viele Gerichte das genauso sehen. Es gäbe ein Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt. „Die Welt wird es weiter geben, die Frage ist nur, ob es die Menschheit in dieser Form weiter geben wird. Und vor allem den Frieden“, hält Verheyen fest.

Klage eines peruanischen Bergführers gegen RWE

Verheyen berichtet am Beispiel einer von ihr vertretenen Klage eines peruanischen Bergführers gegen den RWE-Konzern, wie mit Klimaklagen Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden können und für Klimaschäden aufkommen sollen.

Durch die stark zunehmende Gletscherschmelze in den tropischen Anden hätten die Menschen dort bald kein Wasser mehr. Jetzt schon gebe es ein riesiges Wasserdefizit in der Millionenstadt Lima.

Die Haupt-Verursacher, wie unter anderem RWE, würden keine Verantwortung übernehmen. RWE gehört weltweit zu einem der größten CO2-Emittenten. Ganz Peru hingegen würde nur etwa so viel CO2 ausstoßen wie Lüneburg.

Klimaklagen weltweit geführt

Klimaklagen werden inzwischen weltweit geführt, zum Beispiel in Brasilien, Kolumbien und in Österreich.

So gebe es in Österreich eine Staatshaftungsklage von Landwirten wegen des Flächenverbrauchs. Die Landwirte klagen, weil durch das weitere Zubauen letztlich das Grundwasser geschädigt wird und damit die Rechte der Landwirte betroffen sind.

Frage nach der Rolle der Kirche

Welche Rolle die Kirchen und die Gemeinden spielen müssten, fragte die Leiterin des Kirchenkreises, Christine Schmid, bei der anschließenden Diskussion.

„Aus meiner Sicht haben die Kirchen eine Vorbildfunktion zu erfüllen. Da ist viel zu tun und da hat die Kirche mit ihren großen Ländereien und den Gebäuden noch viel aufzuholen“, antwortete Verheyen. „Das hätten wir wirklich früher machen können“, bedauert Schmidt.

Klimaschutz als kommunale Pflichtaufgabe

Auch der Staat mit seinen Organen und große Unternehmen, die das Emissionsverhalten lenken können, müssten Verantwortung übernehmen und vorangehen.

Aus dem Publikum kommt die Frage, ob Verheyen eine Chance sehe, dass Klimaschutz zur kommunalen Pflichtaufgabe wird. Verheyen bestätigt, es sei wichtig und notwendig, dass Klimaschutz zur Pflichtaufgabe in Kommunen werde. Möglicherweise sei dafür eine Grundgesetzänderung erforderlich.

Kampf wie David gegen Goliath?

Abschließend möchte Superintendentin Schmid noch von Verheyen wissen, ob sie sich vorkomme wie David gegen Goliath. Verheyen verneint, sie fühle sich eher privilegiert, weil sie in ihrem Berufsalltag etwas tun könne.

Viele Menschen jedoch seien verzweifelt und deprimiert, weil sie das Gefühl hätten, sie könnten nichts tun. Verheyen schlug vor, die Kirche solle sich damit auseinandersetzen und Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich wirksam fühlen.

Mehr Information und Kontakt: Klimaentscheid Lüneburg

Vortrag von Dr. Roda Verheyen im Video

Der evangelisch-lutherische Kirchenkreis Lüneburg begrüßt zum Sommerempfang am 30. Juni 2023 in der St. Johanniskirche. Prominenter Gast ist Dr. Roda Verheyen, Rechtsanwältin und ehrenamtliche Verfassungsrichterin in Hamburg: Sie macht sich seit Jahrzehnten stark fürs Klima. Sie berät lokal und global Familien, die von der Klimakrise betroffen sind, ebenso wie namhafte Umweltorganisationen, erwirkt Urteile und hat gerade ein neues Buch veröffentlicht unter dem Titel „Wir alle haben ein Recht auf Zukunft. Eine Ermutigung.“

Der Kammerchor St. Michaelis unter der Leitung von Henning Voss setzt musikalische Akzente.

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