
Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2024: Rechtsextremismus als größte Gefahr für die Demokratie
Spionage, Sabotage, Cyberangriffe und Extremisten, die Gesellschaft und Grundwerte angreifen wollen – so fasst Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes 2024 zusammen. Der Rechtsextremismus bleibe die größte Gefahr. Islamischer Terrorismus sei ein großes Risiko. Die Arbeit des Verfassungsschutzes werde angesichts dieser Bedrohungen immer wichtiger.
Mitteilung von: Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung – Am: 19.06.2025
Online: https://www.mi.niedersachsen.de/ – Grafik: Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung
Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 2024: Ausländische Einflussnahmen und Rechtsextremismus als größte Gefahren
Grafik: Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung. Verfassungsschutzbericht 2024, Präsentation, S. 4 (angepasst)
Am 19. Juni 2025 stellte die Niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens zusammen mit Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril den Niedersächsischen Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 vor. Das Jahr 2024 war für die Sicherheitsbehörden in vielerlei Hinsicht fordernd, so der Bericht. Hintergrund dafür sind:
– der andauernde Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine,
– der erneut eskalierte Nahostkonflikt,
– die ungewisse Zukunft unserer Partnerschaft mit den USA und
– Fragen zur Migration und Integration.
Diese Ereignisse und Themen polarisieren die Gesellschaft und fördern die Entwicklung des Extremismus in Deutschland und in Niedersachsen. Die anhaltenden multiplen Krisensituationen ziehen zudem vielfältige Bedrohungen durch ausländische Akteure nach sich.
Innenministerin Daniela Behrens: Arbeit des Verfassungsschutzes wird immer wichtiger
Niedersachsens Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, fasst zusammen: „Spionage, Sabotage und Cyberangriffe sowie unzulässige ausländische Einflussnahme haben weiter zugenommen. Extremisten unterschiedlicher Ausprägung attackieren unser friedliches Miteinander, unsere Gesellschaft und unsere Grundwerte. Die Arbeit des Verfassungsschutzes wird angesichts dieser Bedrohungen immer wichtiger.“
Verfassungsschutzbericht 2024
1. Rechtsextremismus
„Die größte Gefahr für unsere Gesellschaft geht weiterhin vom Rechtsextremismus aus. Diese Ideologie macht sich die Unsicherheit und Sorgen der Menschen zu eigen, verstärkt damit Zukunftsängste, Ablehnung und Hass“, betont Innenministerin Daniela Behrens.
Mitgliederzuwachs von AfD und Jugendorganisation Junge Alternative
Das niedersächsische Personenpotenzial im Rechtsextremismus ist zuletzt deutlich gestiegen. Dazu beigetragen hat insbesondere die Zunahme der Rechtsextremisten von 600 auf 850 Mitglieder in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) und ihrer Jugendorganisation „Junge Alternative“. Beigetragen dazu hat der Mitgliederzuwachs der AfD Niedersachsen im vergangenen Jahr. Auch die neonazistische Szene hat einen leichten Anstieg von 220 auf 270 Personen zu verzeichnen.
Vernetzungen bei gewaltorientierter, jugendlicher Zielgruppe
Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejril sieht dabei insbesondere ein besorgniserregendes neues Phänomen: „Es kristallisiert sich ein aktionsorientiertes Personenpotenzial an der Schnittstelle zwischen Neonazismus und subkultureller Szene heraus. Diese sich zunächst bundesweit im virtuellen Raum gebildeten Personenzusammenschlüsse wie ‚Jung & Stark‘ oder ‚Deutsche Jugend voran‘ richten sich ausdrücklich an eine junge, teilweise minderjährige aktions- und zum Teil auch gewaltorientierte Zielgruppe. Wir sehen die Gefahr, dass sich dieses Personenpotenzial verfestigt und damit jüngere Menschen an die neonazistische Szene bindet.“
„Reichsbürger und Selbstverwalter“ leicht gestiegen – Beobachtung der „Delegitimierer“ beeendet
Die Zahl der „Reichsbürger und Selbstverwalter“ in Niedersachsen ist um 100 auf etwa 1.180 Personen gestiegen. Die Anzahl der zugleich der rechtsextremistischen Szene zuzuordnenden Personen stagniert bei 40 Personen. Personen aus dem verfassungsschutzrelevanten Bereich der Querdenkerszene sind in Niedersachsen nicht mehr mit eigenen Aktionen in Erscheinung getreten. Eine Ausweitung auf neue Themenfelder war 2024 nicht mehr festzustellen. Der Niedersächsische Verfassungsschutz hat daher die Beobachtung der sogenannten „Delegitimierer“ beendet.
2. AfD
Den extremistischen Kräften innerhalb der AfD ist es gelungen, ihre Machtstellung und damit ihren Einfluss auf die Ausrichtung der Partei weiter auszubauen. Ganz deutlich zu Tage getreten ist dies bei der Forderung der Parteispitze nach „Remigration“. Die AfD macht sich damit einen Kampfbegriff der Neuen Rechten zu eigen. Das bedeutet: Sie befürwortet die millionenfache Abschiebung von Menschen, die nach den Wertmaßstäben dieser Partei nicht dem deutschen Volke zuzurechnen sind.
Eingestuft als Verdachtsobjekt
Bei der AfD Niedersachsen und ihren Untergliederungen kann keine Distanzierung von radikalen oder gar extremistischen Positionen und Akteuren festgestellt werden. Besonders klar wird dies immer wieder durch Äußerungen ihrer Mitglieder in den sozialen Medien. Ministerin Behrens: „Es gilt die weitere Entwicklung der Partei zu beobachten und fortlaufend zu bewerten. Für den Niedersächsischen Verfassungsschutz bietet deshalb die derzeitige Einstufung der AfD als Verdachtsobjekt einen angemessenen Status.“
Auswirkungen des AfD-Gutachtens durch Bund-Länder-Arbeitsgruppe vorbereiten
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die AfD Anfang Mai 2025 als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Nachdem die AfD dagegen geklagt hatte, wurden weitere Schritte bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ausgesetzt. Dabei geht es um die Auswirkungen auf Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, Waffenbesitz und Sicherheitsüberprüfungen.
„Sollte das Gericht die Einstufung bestätigen, müssen die Antworten auf diese Fragen aus unserer Sicht bereits auf dem Tisch liegen. Niedersachsen geht daher fest davon aus, dass die entsprechende Bund-Länder-Arbeitsgruppe nun zeitnah eingesetzt wird und ihre Arbeit aufnimmt und nicht erst dann, wenn das Gericht entschieden hat. Alles andere wäre den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln“, so Behrens.
3. Hybride Bedrohungen – Spionage und Sabotage
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ergeben sich immer wieder Hinweise auf hybride Bedrohungen wie Spionage oder Sabotage. Sie richten sich gegen Wirtschaftsunternehmen, gegen Behörden, Kommunen und Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur. Nahezu täglich finden auch nicht genehmigte Drohnenüberflüge im Bereich der Kritischen Infrastruktur oder militärischer Anlagen statt. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass Russland in einer Vielzahl der Fälle verantwortlich ist, auch wenn sich das nicht eindeutig zuschreiben lässt.
Sollen verunsichern und destabilisieren
Ministerin Behrens sagt: „Hybride Bedrohungen stellen für alle westlichen Demokratien, insbesondere aber für Deutschland, eine ernstzunehmende Realität dar. Die Auswirkungen von Spionage, Sabotage und Desinformation auf unsere Gesellschaft sind vielschichtig und komplex. Sie verfolgen das Ziel, Menschen zu verunsichern und demokratische Gesellschaften zu destabilisieren. Diese Bedrohungen gilt es, konsequent und aktiv zu bekämpfen. Ein wichtiges Element in diesem Kampf ist auch, die Öffentlichkeit noch umfassender über die Mechanismen und Inhalte dieser Taktiken und Instrumente aufzuklären.“
4. Linksextremismus
Die Zahl der Autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten sowie Anarchisten ist in Niedersachsen leicht von 820 auf 840 Personen gestiegen. Im Hauptaktionsfeld – dem Antifaschismus – waren Veranstaltungen der Partei und das Eigentum von AfD-Angehörigen Ziel von linksextremistischen Aktionen. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und den neu eskalierten Nahost-Konflikt ist das Aktionsfeld „Antimilitarismus“ wieder deutlich stärker in den Fokus von Linksextremisten gerückt. Dies drückt sich in Protesten auch gewalttätiger Linksextremisten vor allem gegen Rüstungsunternehmen aus.
5. Extremismus mit Auslandsbezug
Das Personenpotenzial im Phänomenbereich Extremismus/Terrorismus mit Auslandsbezug stagniert in Niedersachsen weiterhin bei geschätzten 2.500 Personen. Dabei spielte in Niedersachsen der Nahostkonflikt im vergangenen Jahr eine zentrale Rolle. Als Reaktion auf die Kriegshandlungen Israels im Gazastreifen und im Libanon haben 2024 zahlreiche Demonstrationen vor allem in den größeren Städten Niedersachsens stattgefunden.
6. Islamismus
Weiter gesunken ist das Personenpotenzial im besonders radikalen Teil der islamistischen Bewegung, dem Salafismus: Derzeit werden 650 Personen der Szene zugerechnet, 50 weniger als im Jahr zuvor. Dazu der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident: „Grund zur Entwarnung bietet diese Zahl nicht! Vom internationalen islamistischen Terrorismus geht weiterhin eine nicht zu unterschätzende hohe Gefahr aus! Das ist durch den Messerangriff in Mannheim und das Attentat in Solingen erschütternd vor Augen geführt worden. Aber auch zahlreiche Anschlagsplanungen, die frühzeitig aufgedeckt werden konnten, sind ein deutlicher Beleg für das bestehende Risiko.“
Gezielt junge Menschen über soziale Medien angesprochen
Der Niedersächsische Verfassungsschutz geht davon aus, dass sich in den sozialen Medien eine sehr hohe Dunkelziffer vor allem junger Salafisten bewegt. Durch die Möglichkeiten, im virtuellen Raum anonym zu bleiben, ist es für die Sicherheitsbehörden schwierig, diese dort zu erfassen. Dennoch ist eine Verjüngung der Szene anhand des erfassten Personenpotenzials festzustellen. Auch werden gezielt durch Inhalte und Formate der islamistischen Propaganda junge Menschen angesprochen.
Zudem ist für den Verfassungsschutz zu beobachten, dass die Kommunikation und der Diskurs in Sozialen Medien stark von einer visuellen Darstellung der Inhalte geprägt sind und verstärkt wurden. Dadurch wurde die Reichweite der Beiträge erhöht. So wirken islamistische Akteure wie „Influencer“ und versuchen,0 über ihre Kanäle insbesondere auf Jugendliche und junge Erwachsene Einfluss zu nehmen.
7. Weitere Themen: Auswirkungen des Kriegs von Russland gegen die Ukraine und Antisemitismus
Der Niedersächsische Verfassungsschutzbericht 2024 greift jeweils mit einem Sonderkapitel die Auswirkungen des Krieges Russlands gegen die Ukraine und die Auswirkungen des Nahost-Konflikts auf. Hierbei kommen bei propalästinensischen Protesten Gruppierungen mit eigentlich unvereinbaren Positionen zusammen – mit Antisemitismus als ideologischem Bindeglied.
Jüdisches Leben in Niedersachsen schützen
Niedersachsens Ministerin für Inneres, Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, sagt: „Der Antisemitismus bildet zwar nach wie vor ein zentrales Ideologieelement rechtsextremistischer Weltanschauung. Allerdings müssen wir aktuell beobachten, dass antisemitische Haltungen und Narrative durch den Nahostkonflikt eine erschreckende Verstärkung erfahren. Islamisten, palästinensische Extremisten, türkische Rechtsextremisten sowie deutsche und türkische Linksextremisten eint der Hass auf Israel sowie Jüdinnen und Juden. Unsere Sicherheitsbehörden werden gerade auch im Angesicht dieser Gemengelage weiterhin alles tun, was notwendig ist, um jüdisches Leben in Niedersachsen zu schützen!“
Mehr Information
- Verfassungsschutz Niedersachsen: https://www.verfassungsschutz.niedersachsen.de/
- Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung: Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 2024 – Vorstellung am 19. Juni 2024
Hier können auch die Präsentation zum Verfassungsschutzbericht 2024 und der Bericht selbst heruntergeladen werden. - Lüne-Blog: Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2023: Bedrohung vorrangig durch Rechtsextremismus und Islamismus – 20.06.2024
Im 75. Jahr unseres Grundgesetzes müssen wir „feststellen, dass unsere Demokratie, unsere Freiheit und unsere Art zu leben von unterschiedlichen Seiten bedroht und angegriffen werden“, so Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens und der Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, Dirk Pejril, bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2023.

Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung: Verfassungsschutzbericht 2024, Präsentation, S. 19. Schlussworte von Ministerin Daniela Behrens – mehr
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