Der Briefkasten von Rathaus und Sozialamt Lüneburg - für Menschen im Rollstuhl nicht zugänglich. Foto: Lüne-Blog.

3. Dezember – Tag der Menschen mit Behinderungen: Die Arbeitsagentur berät – Schutz der Bewohner:innen auf Hof Bockum

Im Schnitt lebt jede zehnte Person(!) in Deutschland mit einer schweren Behinderung. Der Tag der Menschen mit Behinderung soll die Belange Behinderter in Beruf und Alltag stärken. Die Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen unterstützt Unternehmen und Betroffene durch persönliche Beratung. Auf dem SOS-Hof Bockum haben rund 100 Erwachsene mit geistiger Behinderung eine Heimat. Im Interview erklärt Leonie Grabke, wie die Betreuten vor Übergriffen geschützt werden.


Foto: Lüne-Blog. Menschen mit Behinderung stoßen immer wieder auf unnötige Hürden. Hier: Der Briefkasten von Rathaus und Sozialamt Lüneburg ist für Menschen im Rollstuhl nicht zugänglich. 


Gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können

Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung wird jedes Jahr am 3. Dezember begangen. Er soll das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Behinderungen stärken.

Ende 2021 lebten in Deutschland rund 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) waren das 9,4 Prozent der Menschen in Deutschland. Knapp die Hälfte der schwerbehinderten Menschen war zwischen 55 und 74 Jahre alt. 90 Prozent der schweren Behinderungen wurden durch eine Krankheit verursacht. Rund drei Prozent der Behinderungen waren angeboren oder traten im ersten Lebensjahr auf.

Mitteilung von: Agentur für Arbeit Lüneburg-Uelzen – Am: 30.11.2023
Online: https://www.arbeitsagentur.de/vor-ort/lueneburg-uelzen


Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen: Teilhabe und Inklusion im Beruf

Am 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen. Sven Rodewald, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Lüneburg-Uelzen, rückt Teilhabe und Inklusion in den Fokus.

„Die berufliche Teilhabe ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Menschen mit Behinderungen und Rehabilitanden können bei uns auf die Unterstützung durch ein spezialisiertes Beratungs- und Vermittlungsteam zurückgreifen“, so der Agenturchef.

Agentur für Arbeit bietet umfangreiche Unterstützungsmöglichkeiten

Die Agentur für Arbeit berät individuell, fördert die Berufsausbildung für Jugendliche, qualifiziert arbeitslose Menschen mit Behinderungen und unterstützt bei Bedarf notwendige Anpassungen des Arbeitsplatzes.

„Gerade in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels kann eine gezielte Rekrutierung in dieser Personengruppe ein wichtiger Teil der Mitarbeitersuche sein“, so der Agenturchef.

Gezielte Rekrutierung – Info-Telefon für Unternehmen

Im November 2023 wies die Statistik in diesen Bezirken insgesamt 812 arbeitslose schwerbehinderte Menschen aus, davon 250 im Landkreis Lüneburg.

Unternehmen in den Landkreisen Harburg, Lüchow-Dannenberg, Lüneburg und Uelzen, die sich über Beschäftigungs- und Unterstützungsmöglichkeiten informieren möchten, erreichen die örtlichen Ansprechpartner telefonisch.

Mehr bei Lüne-Blog

  • „Schichtwechsel”: Menschen mit und ohne Behinderung tauschen den Arbeitsplatz – 14.10.2023
    Auch Lüneburger Unternehmen und regionale Werkstätten beteiligten sich dies Jahr am bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel”. Dabei tauschen Menschen mit und ohne Behinderungen ihren Arbeitsplatz und lernen so die andere Arbeitswelt kennen. Prominentester Teilnehmer in Niedersachsen war Ministerpräsident Stephan Weil: Er arbeitete in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Hannover mit.
  • 3. Dezember – Tag der Menschen mit Behinderung: Fünf Dinge, die man über Barrierefreiheit wissen sollte – 02.12.2022
    Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember: Mehr als jeder Dritte in Deutschland lebt mit gesundheitlichen Einschränkungen, jede zehnte Person gilt als schwerbehindert. Aber im öffentlichen Raum stoßen sie immer wieder auf Barrieren. Auch Menschen ohne Behinderung sind irgendwann womöglich selbst auf gut zugängliche Gebäude, Leichte Sprache oder die Kommunikation über Computer angewiesen. Deshalb: Barrierefreiheit geht alle an.

Mitteilung von: SOS-Hof Bockum – Am: 30.11.2023
Online: https://www.sos-hof-bockum.de/

SOS-Expertinnen-Interview: Menschen mit Behinderung vor Übergriffen schützen

Das Thema „Kinderschutz“ ist in aller Munde. Auch der Verein SOS-Kinderdorf e.V. hat bundesweit in beinahe allen 38 Einrichtungen spezialisierte Kinderschutzkräfte eingestellt.

Doch nicht nur Kinder sind besonders vulnerable Gruppen, deren Rechte gestärkt werden müssen, auch Menschen mit Beeinträchtigungen gehören dazu. Deshalb hat SOS-Kinderdorf auch in seinen drei Dorfgemeinschaften, in denen Menschen mit geistiger Behinderung leben, Fachkräfte für den Betreutenschutz engagiert.

Leonie Grabke: Zuständig für Betreutenschutz auf Hof Bockum

Leonie Grabke, Betreutenschützerin auf Hof Bockum. Foto: Hof Bockum.

Leonie Grabke, Betreutenschützerin auf Hof Bockum. Foto: Hof Bockum.

Eine von ihnen ist Sozialpädagogin Leonie Grabke aus der Dorfgemeinschaft SOS-Hof Bockum in Niedersachsen.

Anlässlich des „Tages der Menschen mit Behinderung“ erklärt sie, warum Betreutenschutz unerlässlich ist, mit welchen Konzepten die Fachkräfte Grenzüberschreitungen vorbeugen und wie sie Menschen mit Behinderung einbeziehen können.

  • Frau Grabke, Sie sind „Betreutenschützerin“ – zu welchem Zweck wurde Ihre Stelle eingerichtet?

SOS-Kinderdorf startete im Jahr 2020 einen groß angelegten Aufarbeitungsprozess, der sich mit Grenzüberschreitungen und Unrechtsfällen in der Vergangenheit beschäftigt.

Um zukünftig Übergriffen und pädagogischem Fehlverhalten besser vorzubeugen und sie zu verhindern, etablierte der Verein in fast allen seinen Einrichtungen Fachkräfte für den Kinder- und Betreutenschutz.

Betreutenschutz auch gesetzliche Vorgabe

Zusätzlich gibt es seit Mitte 2021 eine gesetzliche Vorgabe: Stationäre Einrichtungen sind verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz ihrer Klienten einzuführen.

  • Warum braucht es neben dem pädagogischen Personal Ihre Stelle?

Alle Mitarbeitenden vereint der Wille, Bewohner und Werkstattbeschäftigte, also unsere Betreuten, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und dem Erreichen ihrer Ziele zu fördern und zu begleiten. Das birgt besondere Herausforderungen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

Mitarbeitende persönlich gefordert – Reflexion und Supervision wichtig

Lassen Sie mich das veranschaulichen: Unsere Arbeit fordert und fördert Nähe und Beziehung, bei Gesprächen genauso wie bei körperlicher Unterstützung. Das ist gut und wertvoll. Aber es kann auch eine Herausforderung sein. Wir müssen Nöte der Mitarbeitenden frühzeitig erkennen und begegnen.

Auch die institutionelle Ebene ist wichtig: Haben die Mitarbeitenden genug Möglichkeiten zur Reflexion über ihre Arbeit und ihre Ressourcen, gibt es genug Supervision? Wird eine fehlerfreundliche Kultur und Haltung gefördert? Werden Mitarbeitende gut begleitet und frühzeitig aufgefangen, wenn es zu Überforderung kommt?

Beispiel: Unterstützung beim Schutz im Internet

  • Das bedeutet für Ihre tägliche Arbeit?

Ich nenne Ihnen wieder ein Beispiel: Aus einem Workshop mit den hier betreuten Menschen mit Behinderungen ergibt sich, dass sie Unterstützung im Bereich „Schutz im Internet“ benötigen. Für die Einrichtung und natürlich auch mich schließt sich damit die Frage an, ob wir bereits jetzt in diesem Bereich adäquat helfen können.

Meine Aufgabe ist es nun, entsprechende Angebote im Rahmen unseres Gewaltschutzkonzepts für unsere Bewohner und Werkstattbeschäftigten zu schaffen.

Ausdrücklich unter Mitwirkung der Betreuten

Wichtig ist dabei immer, dass die Betreuten selbst überprüfen, ob unsere Maßnahmen in der Praxis taugen. Wenn wir zum Beispiel der Meinung sind, dass Symbolkarten beim Beschwerdemanagement hilfreich sind, um sich besser ausdrücken zu können, dann muss auch überprüft werden, ob das gut handhabbar ist und die Symbole eindeutig zugeordnet werden können.

Das können die Bewohner am besten selbst tun, mit meiner Hilfe. Hier ist auch das Thema Beteiligung grundlegend!

Bockum: Hausgemeinschaften bringen Vorteile und Herausforderungen

  • Wo liegen die Herausforderungen speziell in Hof Bockum beim Betreutenschutz?

Im Wohnbereich in den Hausgemeinschaften in Bockum besteht das Risiko, dass die Mitarbeitenden oft allein und lange am Stück arbeiten, also seltener die Möglichkeit für Reflexion und Abstand haben.

Gleichzeitig haben die Bewohner durch diese Struktur weniger wechselnde Ansprechpersonen. Das ist zum Teil auch gewollt, um verlässliche Bezugspersonen zu ermöglichen.

Ländlicher Standort bringt gewisse Abgeschiedenheit

Eine weitere Herausforderung ist der ländliche Standort in einem kleinen Dorf, was natürlich Vorteile, aber auch Grenzen mit sich bringt. Die selbständige Mobilität ist eingeschränkter als in der Stadt.

Kontakte und Ausweichmöglichkeiten sind durch die wunderschöne Landschaft gegeben, aber es gibt weniger Kontakt zu Menschen von außen, denen man sich anvertrauen könnte.

Menschen machen Fehler – Vorbeugen und Stärken wichtig

  • Wie wollen Sie in Zukunft für mehr Schutz sorgen?

Man muss sich bewusst sein, dass auch eine Gewaltschutzfachkraft nicht verhindern kann, dass es zu Grenzüberschreitungen kommt. Denn hier arbeiten Menschen mit Menschen – und Menschen machen Fehler. Meine Aufgabe ist es, Strukturen und Bedingungen zu verbessern, um Fehlern bestmöglich vorzubeugen. Dazu gehören:

  • Vielfältige Angebote für die Klienten, die sie befähigen und stärken.
  • Ein offenes Ohr auch für die Bedarfe des Kollegiums – und das nötige Engagement, diese aufzunehmen und die fachliche und kollegiale Auseinandersetzung zu fördern.
  • Ein gutes, umfassendes Gewaltschutzkonzept mit präzisen Inhalten und Zuständigkeiten unterstützt die Einrichtungen auf dem Weg zu immer besserer Arbeit.

Teilhabe der Betreuten in Werkstattrat, Bewohnerrat und als Frauenbeauftragte

  • Können Sie Menschen mit Behinderung dort einbeziehen?

Aber natürlich! Egal, ob aus der Perspektive eines Kindes, eines Arbeitnehmers oder eben unserer Klienten: Jede Entscheidung, jede Regel wird am besten akzeptiert und mitgetragen, wenn sie partizipativ entstanden ist. Wenn also jede Person selbstwirksam ihren Teil dazu beitragen konnte. Deshalb ist dies ein fester Bestandteil unseres Gewaltschutzkonzepts.

Wir haben selbstverständlich alle gesetzlich vorgeschriebenen Gremien wie den Werkstattrat, den Bewohnerrat und die Frauenbeauftragten und fördern und unterstützen diese auch in der Ausübung.

Beteiligung als essenzieller Baustein

Aber auch im alltäglichen Miteinander, im Wohnen oder in der Werkstatt für behinderte Menschen eröffnen sich immer wieder Möglichkeiten, unsere Klienten zu beteiligen. Aus meiner Sicht ist Beteiligung ein essenziell wichtiger Baustein, damit Betreutenschutz auch wirklich gelingen kann.

SOS-Hof Bockum

Seit 1985 leben und arbeiten in SOS-Hof Bockum Erwachsene mit geistiger Behinderung. Mittlerweile haben dort ca. 100 Menschen eine Heimat gefunden. Sie werden in Bockum und im nahen Amelinghausen in acht Hausgemeinschaften und verschiedenen anderen Wohnformen betreut. Gleichzeitig arbeiten sie in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) und haben dort die Wahl zwischen sieben unterschiedlichen Arbeitsbereichen.

SOS-Hof Bockum ist eine Einrichtung von SOS-Kinderdorf e.V. In Deutschland helfen in 38 Einrichtungen insgesamt rund 4.750 Mitarbeitende. Der Verein erreicht und unterstützt mit seinen über 840 Angeboten rund 85.500 Menschen in erschwerten Lebenslagen in Deutschland. Darüber hinaus finanziert der deutsche SOS-Kinderdorfverein 102 Programme in 21 Fokusländern und ist in 110 Ländern mit Patenschaften aktiv.

Foto: Ute Bruckart. Hoffest Bockum 2022.

Foto: Ute Bruckart. Hoffest Bockum 2022.

Ergänzung oder Korrektur? Bitte Mail an redaktion@luene-blog.de – danke!
Lüne-Blog veröffentlicht Pressemitteilungen, Berichte und Veranstaltungshinweise von Verbänden und Zusammenschlüssen. Nachricht an: redaktion@luene-blog.de

Lüne-Blog kannst du auch lesen bei:

Facebook X - twitter-Logo neu.Twitter/X Instagram Lüne-Blog bei TelegramTelegram MastodonMastodon

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Im Rahmen der DSGVO notwendige Bedingungen - bitte lesen und akzeptieren:
Wenn du das Formular abschickst, werden Name, E-Mail-Adresse und der eingegebene Text in der Datenbank gespeichert. Für weitere Informationen wirf bitte einen Blick in die Datenschutzerklärung: mehr

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.