Foto: Lüneburg Barrierefrei. Fahrstuhl-Aktion am 16.01.2024.

Seit 15 Jahren: UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft – „Noch viel zu tun“

Seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland geltendes Recht. Auch in Niedersachsen muss sie noch besser umgesetzt werden, so die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, Annetraud Grote. Bei der Staatenprüfung des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde Deutschland ebenfalls einiger Nachholbedarf bescheinigt.


Mitteilung von: Nds. Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung – Am: 25.03.2024
Online: https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/uber_uns/presse/ – Foto: Lüneburg Barrierefrei. 


„Es gibt in Niedersachen noch viel zu tun, um Inklusion zu erreichen“

Foto: Lüneburg Barrierefrei. Mit einer Seilzug-Aktion wiesen Aktivist*innen am 16. Januar 2024 auf die Probleme am Lüneburger Bahnhof hin. An die sieben Monate soll der Einbau eines neuen Fahrstuhls dauern – und die angebotenen Alternativen sind nicht hilfreich. Trotz Bemühungen scheint keine Besserung in Sicht – zum erheblichen Nachteil vieler Reisenden.

Am 26. März 2009, also vor 15 Jahren, ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft getreten. Annetraud Grote, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen, betont zu diesem Jubiläum, dass die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Niedersachsen noch besser umgesetzt werden muss.

„Die UN-BRK beinhaltet ein unverzichtbares Menschenrecht. Sie ist demnach auch in Niedersachsen vom Land und von den Kommunen in allen Bereichen umzusetzen. Ich möchte Mut machen, dass vieles möglich ist und vieles erreicht werden kann, wenn der Wille da ist – und dabei hilft uns die UN-BRK.“

Grote: Positiv das Auslaufen der Förderschule Lernen

Niedersachsen ist auf einem guten Weg, um noch mehr Inklusion zu erreichen. Beispielsweise wird schulische Inklusion durch das Auslaufen der Förderschulen Lernen gestärkt. „Es ist eine wichtige Entscheidung, das Sondersystem Förderschule Lernen abzuschaffen“, so Annetraud Grote.

Der Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat in seinen abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht aus dem Jahr 2023 die Sondersysteme in Deutschland deutlich kritisiert. Ausgrenzende Strukturen seien konventionswidrig.

Menschen mit Behinderungen als Expert*innen in eigener Sache mitnehmen

Besonders wichtig ist es Annetraud Grote, lösungsorientiert vorzugehen und gemeinsam mit allen Beteiligten: den Verbänden, den Interessenvertretungen von Menschen mit Behinderungen, den Selbstvertretungsorganisationen, der Verwaltung und der Politik. Menschen mit Behinderungen müssen als Expertinnen und Experten in eigener Sache mitsprechen.

Mehr behinderte Menschen im normalen Arbeitsprozess

Dabei geht es zum Beispiel um eine noch bessere Durchlässigkeit der Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) mit Hilfe des Budgets für Arbeit. Hierzu gibt es eine Kampagne „Talente entdecken“, der sich auch die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen anschließt.

„Wir müssen dahin kommen, dass noch mehr Menschen mit Behinderungen, die einen Anspruch auf Leistungen im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen haben, das Budget für Arbeit nutzen. Mit dessen Hilfe können sie bei privaten und öffentlichen Arbeitgebenden ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis annehmen.“

Niedersachsen: Vierter „Aktionsplan Inklusion“ in Arbeit

In Niedersachsen wird aktuell der vierte Aktionsplan Inklusion geschrieben. Dieser dient der Umsetzung der UN-BRK auf Landesebene. „Es sind bereits sehr viele Vorschläge auch von Menschen mit Behinderungen zu unterschiedlichen Handlungsfeldern wie Arbeit, Bildung, Kultur, Sport, Mobilität oder Gesundheit und Pflege für den neuen Aktionsplan Inklusion eingegangen. Alle Vorschläge werden nun ausgewertet. Die Erarbeitung des Aktionsplans Inklusion begleite ich engmaschig. Wir müssen dahin kommen, dass Teilhabe und Inklusion für noch mehr Menschen erlebbar werden“, so Annetraud Grote.

Staatenprüfung: Deutschland muss Behindertenrechtskonvention noch engagierter umsetzen

Der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen überwacht die weltweite Umsetzung der Konvention. Er besteht aus 18 Expert*innen mit Behinderungen und trifft sich zweimal im Jahr im Genf. In einem mehrstufigen Verfahren wurde Deutschland geprüft.

Am 3. Oktober 2023 veröffentlichte der Fachausschuss seine „Abschließenden Bemerkungen“ (Concluding Observations) zu Deutschland. Diese enthalten zahlreiche Empfehlungen und Forderungen für Deutschland. Die deutsche Version soll im April 2024 veröffentlicht werden.

Britta Schlegel, Leiterin der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte, erklärt dazu: “Tradierte Sonderstrukturen wie Förderschulen, Werkstätten oder Wohneinrichtungen müssen schrittweise ab- und inklusive Angebot aufgebaut werden. … Bislang mangelt es jedoch an der notwendigen Entschlossenheit von Politik, Verwaltung und den Anbietern sozialer Dienstleistungen, diese Herausforderung systematisch anzugehen. … Auch die Vereinten Nationen zeigen sich besorgt, dass ein Leben außerhalb von Sonderstrukturen für viele Menschen heute immer noch nicht vorgesehen ist.“ (Deutsches Institut für Menschenrechte: mehr).

  • Deutsches Institut für Menschenrechte:
    • Staatenprüfung und Ergebnisse
      Die Prüfkommission weist auf erhebliche Bedenken bei der Umsetzung in Deutschland hin. Die Stellungnahme soll ab April 2024 auch auf Deutsch vorliegen.
    • Wie weiter nach der zweiten Staatenprüfung?
      Bei einer Konferenz am 27. Februar 2024 „Neuer Schwung für die UN-BRK in Deutschland: Wie weiter nach der zweiten Staatenprüfung?“ wurden Empfehlungen an Politik und Verwaltung in Bund und Ländern zusammengestellt.
      Themen: Barrierefreiheit, Bildung, Schutz vor Gewalt, Arbeit, Wohnen und mehr.

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Hintergrund: UN-Behindertenrechtskonvention

Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) wurde am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet. International ist es am 3. Mai 2008 in Kraft getreten. Die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Niedersachsen hat die UN-BRK am 24. Februar 2009 ratifiziert. Sie trat dann am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft. Sie ist geltendes Recht in Deutschland und muss von allen staatlichen Stellen umgesetzt werden.

Ziel der Konvention ist der volle und gleichberechtigte Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle Menschen mit Behinderungen. Dafür setzt sich auch die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte ein.

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