Ökologische Station: Gewässer brauchen Platz – Auen als Hochwasserschutz und Wasserspeicher
Die Region Lüneburg ist vergleichsweise gut davongekommen beim Hochwasser um Weihnachten 2023. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass es an den Oberläufen von Ilmenau und Luhe vergleichsweise viel Grünland und Auen gibt. Hier kann sich das Wasser ausbreiten – und es gibt weniger Hochwasser in den folgenden Flussabschnitten. Solche Auen sind zudem Wasserspeicher und Lebensraum für viele Arten.
Mitteilung von: Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe und Neetze – Am: 01.02.2024
Online: – Foto: Ökologische Station Ilmenau
Hochwasserschutz: Gewässern brauchen Platz
Ökologische Station fordert naturbasierte Lösungen für den Hochwasserschutz
Foto: Ökologische Station Ilmenau. Ilmenau zwischen Teufelsbrücke und Lorelei am 26.12.2023.
Seit Dezember 2023 ist die Hochwasserlage in Niedersachsen angespannt. Auch in den Landkreisen Lüneburg, Uelzen und Harburg traten vielerorts kleinere Flüsse und Bäche über die Ufer und führten teils zu großflächigen Überschwemmungen. Die Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe, Neetze fordert mehr naturbasierte Lösungen. Denn diese können die Bedrohungen und Auswirkungen solcher Hochwasser reduzieren.
Flüsse und Bäche brauchen Raum: Genügend Platz für Auen schaffen
Ine Pentz von der Ökologischen Station erklärt: „Das Wichtigste ist, dass die Flüsse und Bäche möglichst wieder den Raum erhalten, den sie historisch einmal eingenommen haben, um in Hochwassersituationen ausreichend Wasser aufzunehmen.
Diesen Raum bieten die Auen. Diese flussbegleitenden Abschnitte werden überschwemmt, wenn viel Wasser anfällt. Sie müssen ausreichend breit sein, um die angrenzenden und meist etwas höher liegenden Flächen und Siedlungen nicht zu gefährden.“
Künftig: Viel Regen im Winter – lange Trockenheitsphasen im Sommer
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich das Wetter durch die Klimakrise künftig ändern: Im Winterhalbjahr wird es häufiger extreme Witterungsverhältnisse geben wie heftiger Starkregen und langanhaltender Dauerregen. Im Sommer werden sich Trockenheitsphasen häufen.
Rein technische Hochwasserschutzmaßnahmen allein, wie z. B. Deiche, sind keine vollständige Lösung. Ein zukunftsgerichteter Hochwasserschutz sollte ganzheitlich ausgerichtet sein. Dazu gehören naturbasierte Maßnahmen wie die Renaturierung von Flüssen und Auen und Flächenentsiegelungen. Dies kommt Mensch und Natur gleichermaßen zugute.
Naturnahe Auen und Grünland als wichtiger Beitrag zum Hochwasserschutz
Naturbasierte Lösungen sind in der Regel deutlich günstiger als technische. Und es werden Synergien geschaffen: Das Hochwasserrisiko wird vermindert, Lebensqualität und Artenschutz werden gesteigert.
Naturnahe Auen leisten einen wichtigen Beitrag zum naturnahen Hochwasserschutz. Der Boden der Auenwälder nimmt das Wasser auf wie ein Schwamm und gibt es dann langsam wieder ab. Auch Grünland speichert und puffert Hochwasser sehr gut ab. Eine Flutwelle wird dadurch gestreckt und verläuft flacher als an verbauten Flüssen. Dadurch kann ein Hochwasser weniger Schaden anrichten.
Positiv: Oberläufe von Ilmenau und Luhe bieten bereits relativ viel Raum
Wichtig sind insbesondere die Oberläufe von Gewässern. Wenn sich die Flüsse hier ausbreiten können und das Wasser versickern kann, reduziert das die Menge an Wasser im weiteren Verlauf der Flüsse. Das Überschwemmungsrisiko wird verkleinert. An vielen Oberläufen sind jedoch keine Auen oder Moore mehr vorhanden, die das Wasser halten können. Das führt zu Hochwasser an den Unterläufen.
An den Oberläufen von Ilmenau und Luhe gibt es vergleichsweise hohen Anteile an Grünland, ungenutztem Offenland und Wald. Das ist sehr positiv zu bewerten. Diese Flächen schützen vor Hochwasser und sollten noch weiter ausgedehnt werden.
Bodenwasserspeicher werden aufgefüllt, Lebensraum für Arten
Überschwemmungen haben zudem wichtige ökologische Funktionen, weist Dr. Olaf Anderßon von der Ökologischen Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe, Neetze hin: „Dort, wo Gewässer über die Ufer treten können und angrenzende Flächen überschwemmt werden dürfen, ist ein wichtiger Ort für die Artenvielfalt.
Denn hier finden eine Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil hochgradig spezialisierter Arten einen Lebensraum. Auch können hier die Bodenwasserspeicher wieder aufgefüllt werden. In Deutschland sind jedoch nur noch 10 Prozent der Auen intakt und können ihre natürlichen Funktionen erfüllen.“
Wasser länger in der Landschaft halten für Trockenzeiten und Artenvielfalt
Ine Pentz und Dr. Olaf Anderßon fassen zusammen: „Gewässer benötigen mehr Platz für die ihnen eigene Dynamik und ihre begleitenden Auwälder. Das Wasser sollte länger in der Landschaft gehalten werden. Nicht nur als Hochwasserschutz, sondern auch als Schutz für Trockenzeiten und für den Erhalt der Artenvielfalt.“
Mehr Information und Kontakt
- BUND Niedersachsen: Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe und Neetze
- BUND Niedersachsen: BUND fordert wirksame Strategie für vorsorgenden Hochwasserschutz – 12.01.20224
- NDR: Experten: Hochwasser wie zum Jahreswechsel künftig wohl häufiger – 12.05.2024
Das Winter-Hochwasser zum Jahreswechsel mit Rekordwasserständen hat in Niedersachsen Schäden von mehr als 160 Millionen Euro verursacht. Ein Jahrhundertereignis war es aber laut Statistik nicht. Das Umweltministerium weist darauf hin, dass sich Hochwasserereignisse durch die Klimaerwärmung verschärfen dürften. - Bundesamt für Naturschutz (BfN): Auenzustandsbericht 2021
Der Auenzustandsbericht 2021 stellt in Textform und in bundesweiten Übersichtskarten die aktuellen Ergebnisse zum Verlust von Überschwemmungsflächen, zum Zustand der Flussauen und zum Stand der Umsetzung von Auenrenaturierungen an Flüssen in Deutschland vor. - Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung: „Naturbasierte Lösungen verbessern Hochwasserschutz und Biodiversität“ – PDF-Datei
Überschwemmungen sind bereits jetzt weltweit die häufigsten und größten aller Naturgefahren. Technischer Hochwasserschutz reicht nicht aus. Ein kombinierter Hochwasserschutz verbindet den Schutz von Mensch und Natur und muss integraler Bestandteil des Risikomanagements sein.
Hintergrundinformationen: Hochwasser an Ilmenau und Luhe
Die Ilmenau erreichte ihren Höchststand mit 2,73 Meter am Pegel Bienenbüttel in den Weihnachtstagen 2023. Im Vergleich zum mittleren Wasserstand von 0,90 Meter lag der Wert hier 1,83 Meter darüber. Ein ähnlich hoher Wasserstand wurde das letzte Mal 2002 verzeichnet. Der höchste dokumentierte Wasserstand stammt vom 19.03.1970. Damals maß der Pegel bei Bienenbüttel 3,23 Meter.
Auch an der Luhe – Pegel Thansen – waren die Wasserstände außerordentlich angestiegen. Hier wurde am 25.12.2023 ein Höchststand von 1,17 Meter gemessen. Im Vergleich zum mittleren Wasserstand (0,53 Meter) lag der Wasserstand 0,64 Meter darüber. Auch hier wurden 2002 ähnlich hohe Wasserstände verzeichnet, außerdem 2008 und 1996. Noch höhere Wasserstände sind nicht dokumentiert.
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